: Währungsunionen
Das deutsche Modell als Vorbild für EG-Europa? ■ I N T E R V I E W
Karel van Miert ist Kommissar für Verkehr und Investitionen. Der langjährige Vorsitzende der belgischen Sozialistischen Partei nimmt an dem Kongreß europäischer Sozialdemokraten in Berlin teil.
taz: Seit Herbst 1989 spricht kaum noch jemand von der westeuropäischen Integration. An ihre Stelle ist die Auseinandersetzung über die Vereinigung der Deutschländer getreten. Hat die Wiedervereinigungsdebatte die EG -Kommission handlungsunfähig gemacht?
Karel van Miert: Nein, ganz bestimmt nicht. Aber mit dieser Entwicklung in Zentralosteuropa ist das nicht mehr das einzige Thema, jetzt kann man fast sagen: Jeder läuft hinter den Fakten her. Aber ich glaube, man kann mit einigem Stolz sagen, daß die Kommission vielleicht so rasch und so viel gearbeitet hat, daß manche Bedenken wegen ihrer wachsenden politischen Rolle haben.
Kohl ist gerade wieder mit einem neuen Konzept der „deutsche Währungsunion“ vorgeprescht. Was sagt die Kommission dazu?
Ich glaube, auch die deutschen Behörden laufen hinter den Entwicklungen her. Für einige Monate sah es aus, als ob es nach dieser Demokratisierung in der DDR einen Beitrittsantrag geben würde. Jetzt sieht es so aus, daß es vielleicht sehr schnell eine De-facto-Wiedervereinigung gibt. Das heißt, daß eigentlich ohne Verhandlungen auch die Ausweitung des Gebiets der Europäischen Gemeinschaft stattfindet.
Ist das Modell Währungsunion BRD-DDR auf die EG übertragbar?
Ich glaube, das kann man komplementär sehen. In Deutschland geht es jetzt sehr schnell. Daraus ergeben sich auch neue Chancen für die europäische Währungsunion. Jetzt kommt es darauf an, das aufeinander abzustimmen. Und vielleicht sollte die Schlußfolgerung auf europäischer Ebene heißen, auch schneller zu machen.
Halten Sie an dem Zeitplan fest: 1.1.1993 Binnenmarkt?
Ganz bestimmt. Denn sonst fällt man zurück in die Vergangenheit.
Wo werden 1993 die Grenzen der EG liegen?
Ich glaube, das werden die heutigen Grenzen sein, aber sehr wahrscheinlich werden sie bis an die Oder/Neiße gehen.
Wie viele Mitgliedsländer wird es dann geben?
So wie es jetzt aussieht, zwölf. Denn anscheinend wird die Einigung sich vollziehen in einer Art Fusion oder wie man es auch nennen mag. Und natürlich gibt es andere Länder, die interessiert sind, Mitglieder zu werden, wie zum Beispiel Österreich, aber die normalen Verhandlungen mit Staaten dauern lange. Mit Spanien hat das sieben Jahre gedauert.
Interview: Dorothea Hahn
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