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Die Bahn ist ökologischer und billiger

Der Sprecher der Ost-Berliner BVB, Rolf Mummhardt, über die Bedeutung der Straßenbahn / Über die Leninallee rattern zeit- und stellenweise 100 Züge je Stunde / Planungen über die Jahrtausendwende hinaus  ■ I N T E R V I E W

taz: Welchen Stellenwert hat bei Ihnen die Straßenbahn im Vergleich zu den anderen Verkehrsträgern?

Mummhardt: Ich kann sagen, daß wir mit der Straßenbahn an Werktagen etwa 700.000 Fahrgäste befördern - bei einer BVB -Gesamtleistung von rund 1,5 Millionen Fahrgästen. Das wären also noch einmal rund 300.000 mit der U-bahn und rund 500.000 mit Omnibussen. Es gibt 39 Straßenbahnlinien. Davon werden 23 mit Tatra-Fahrzeugen - Importen aus der CSR betrieben.

Wie alt sind denn die Wagen so im Durchschnitt?

Bis zu zehn Jahren. Wir habe jetzt einen neuen Fahrzeugtyp seit Ende 1987, der sogenannte T6. Diese Fahrzeuge fahren mit zwei Trieb- und einem Beiwagen und sind in der Lage, in Spitzenzeiten bis zu 350 Fahrgästen zu befördern. Fahrzeuge der Altbaureihen, die in den 50er und 60er Jahren in den Waggonwerken Görlitz gebaut wurden, haben wir nur noch in den Betriebsteilen Südwest - das ist Köpenick und Schöneweide - und Nordost. Das wäre Niederschönhausen.

Und die sind, wie man so sagt, veschlissen?

Die sind auf jeden Fall noch einsatzfähig, verkehrs- und auch betriebssicher. Sie haben einen Nachteil: Sie sind langsamer als die Tatra-Fahrzeuge, so daß sie sich in Zügen als Verkehrshindernis erweisen. Die alten Fahrzeuge fahren 40km/h, die neuen 60km/h, auch die Tatra KT4 und KT4ET.

Welche spezifische Versorgungsfunktion haben denn nun bei Ihnen die Straßenbahnen?

Straßenbahnen haben, genau wie Omnibusse, die Aufgabe, die sogenannte Flächenschließung zu gewährleisten, das heißt, sie leisten im Prinzip Zubringerdienste für die Schnellbahnen, die S-Bahn und die U-Bahn.

Welche Kriterien sind entscheidend, eher eine Straßenbahn als einen Bus fahren zu lassen?

Vordergründig einmal das größere Fassungsvermögen der Straßenbahn - die Ikarus-Gelenkbusse können nur um die 120 Fahrgäste aufnehmen. Dann sind da sicherlich auch ökologische Erwägungen und auch ökonomische. Die Straßenbahn ist im Unterhalt billiger als der Omnibus.

Soll das Streckennetz deshalb noch erweitert werden?

Wir sind zur Zeit dabei, in Hellersdorf eine Strecke mit etwas über vier Kilometern zu bauen. Das wäre also eine Anbindung vom Straßenbahnhof Marzahn. Wir sind auch dabei, zunächst im Köpenicker Raum auf kürzere Tatra-Fahrzeuge umzurüsten. Zur Zeit ist das abhängig von der Bahnenergieversorgung - die Tatra-Fahrzeuge habe ein wesentlich höheres Energieaufnahmevermögen als die Altbaufahrzeuge. Es wird also abhängig davon sein, wie wir mit neuen Gleichrichter-Unterwerken im Bau vorankommen, um dann erstmal den Südostraum auf Tatra umzurüsten. Die gleichen Probleme gibt es übrigens in Niederschönhausen und auch im Stadtzentrum. Wir hatten uns einst das Ziel gesetzt, bis in die 90er Jahre alles auf Tatra umzurüsten, aber die gegenwärtige Wirtschaftssituation wird das sicher nicht erlauben, so daß wir sicher bis zum Jahre 2000 oder darüber hinaus rechnen müssen.

Aber auch in Ost-Berlin steigen die Kfz-Zulassungszahlen. Was wird zur Bevorzung der Straßenbahn getan?

Wir haben einmal in den Neubaugebieten und auf den Strecken in die Neubaugebiete ausschließlich eigene Trassenführungen, wo wir an einigen Stellen auch den Linksabbiegerverkehr rausgenommen haben. Wir haben straßenabhängige Lichtsignalanlagen, Vorrangschaltungen. In Altbaugebieten haben wir durch Leitlinienmarkierungen - auch in Zusammenarbeit mit der Verkehrspolizei - dafür gesorgt, daß der Individualverkehr vom Gleiskörper runtergenommen wird. Man kann vielleicht noch anfügen, daß unsere Straßenbahn über ein Gesamtliniennetz von etwas über 470 Kilometern verfügt und daß wir in der Berufsspitze auf einer Trasse das betrifft die Leninallee zwischen Karl-Lade-Straße und Dimitroffstraße - eine Belegung von über 50 Straßenbahzügen pro Stunde und Richtung haben. Fehlbestände beim Fahrpersonal durch Übersiedlung in den Westen gibt es in keinem unserer Betriebe mehr.

Wie habe sie die Löcher gestopft?

Durch Neueinstellung, auch bedingt durch die Auflösung des Stasi. Die Betreffenden müssen aber noch angelernt werden.

Thomas Knauf

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