piwik no script img

Vom Nachttisch geräumt

■ ABC: "Von A bis Zett, Elf Alphabete"

Von Wilhelm Busch gibt es ein „Naturgeschichtliches Alphabet“. Jochen Jung hat zehn Autoren - Ursula Krechel ist als einzige Frau dabei - gebeten, diese Vorlage nutzend, Gedichte übers Alphabet zu machen. Dem Gegenstand angemessen hier erstmal die Noten: H.C. Artmann und Oskar Pastior Eins Plus. Thomas Rosenlöcher und Markus Werner Zwei, Friedrich Achleitner 2 Minus, Ludwig Harig und Gerhard Rühm Drei, Günter Brus und Urs Widmer Vier, Ursula Krechel hat die Arbeit - so etwas kommt vor - verhauen. Am schönsten ist es, Pastior und Artmann laut einander vorzulesen. Nach fünfzehn, zwanzig Zeilen fängt man an durchzudrehen, überläßt sich dem Blödsinn und die Sache wird so albern, daß die geliebte Partnerin sich vor Lachen nicht mehr wehren kann. Dieses ABC ist also was fürs Leben.

„orient und akzident

oder morgen und auch abendlandel

ich im a b c verbandel“

Unverkennbar Artmann. Anders als Busch, der sich vor x und y drückte, weiß der Meister sich auch darauf Verse zu machen:

„xanadu ist uns märchenferne

franz xaver kackt marillenkerne

nie wischt ein yogi seinen hintern

auf yachten kann man überwintern“

Beim Ypsilon schlägt Pastior alle:

„Drüben Yale und hier Lyon

üben rülpsend Ypsilon“

Nein, nicht nur beim Ypsilon. So wunderschön Artmanns Anfang, Pastiors Lakonie trifft exakt den Solarplexus:

„Im akkuraten Alphabet

der Anfang immer vorne steht“

Werners „Kleine Liebes-Organologie“ wird - solange es das Gerede über die wichtigste Nebensache gibt - als Zitatengrube ausgebeutet werden:

„Drängt Brust an Brust sich in Ekstase,

Inkommodiert die volle Blase.

Auf Cutis stoßen zarte Täter

sehr bald, auf den Charakter später.

Man kennt des Dünn- und Dickdarms Sinn,

Ungleiches gilt vom Doppelkinn.

Verweigert seinen Sprung das Ei,

Misslingt Empfängnis auch im Mai.“

Von A bis Zett, Elf Alphabete, Residenz-Verlag, 40 Seiten, 16 DM

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen