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Standbild: Moralist am Mikro

■ Der Nachtfalke

(Der Nachtfalke, Mi., 28.3., ZDF, 21 Uhr) Also, was ich wirklich bewundere, ist der unerschöpflich scheinende Einfallsreichtum der US-amerikanischen TV-Produzenten und -Autoren, was die Erfindung neuer Serienlegenden und deren inhaltliche Ausführung angeht. Sag‘ ehrlich, taz-LeserIn, könntest Du Richard Kimble jahrzehntelang durch die Weiten Amerikas jagen, ohne daß es langweilig wird?

Im neuesten Einkauf des ZDF entwickeln sich die einzelnen Folgen aus folgender Grundidee: Einem selbstredend sonst tüchtigen Polizisten rennt sein bester Kumpel und Kollege in den Feuerstoß und verendet. Der brave detective ist betrübt und denkt: „Dienst ist Dienst, und Schnaps ist Schnaps“, quittiert ersteren und wendet sich zweiterem zu. Die flotte Erbin eines UKW-Senders erscheint engelsgleich und rettet ihn vor der Gosse. Sie betraut ihn mit der Moderation einer Mitternachtssendung, in der sich besorgte Bürger vom Ex-Cop Killian, der sich nunmehr „der Nachtfalke“ nennt, beraten lassen können. Natürlich rufen nicht nur nette Nachbarn an, um sich nach der richtigen Fahrradkette zu erkundigen, sondern auch Freaks, Dropouts, Killer, eben alles, was sich in der nächtlichen Großstadt so tummelt. Eine reizvolle Ausgangssituation, weniger verlogen als Denver und optisch sehr viel ansprechender, mit beinahe kinogerechter Kameraarbeit, sorgfältiger Farbkomposition und bildadäquater Musik. Ein Radio-DJ als TV-Held war auch auch längst fällig, nachdem es im Kino schon so etwas wie ein Sub -Genre gibt: eine Reihe von Filmen nämlich, in denen DJs mehr und minder wichtige Rolle spielen, angefangen bei Fluchtpunkt San Francisco über Play Misty For Me, Wasser, Do The Right Thing bis hin zu Radio Talk.

Wie sich der Moralist am Mitternachtsmikro machen wird, bleibt abzuwarten. Die Kollegin von stern-TV bemängelte schon mal vorab, daß Der Nachtfalke mit den Worten: „Es gibt Schlimmeres als alleine zu schlafen“ vor einem Aids -Killer warnt. Die stern-Guckerin mutmaßte, Kondome dürften in Fernsehsendungen wohl nicht verwendet werden. Das ist doch gar nicht die Frage. Wie wir Fernsehkritikerpack, so sitzt auch der Nachtfalke nächtens einsam und allein über seiner Arbeit und ermangelt jedweder Gelegenheit, seinen wie auch immer gearteten sexuellen Neigungen zu frönen. Nun, was ihm selbst nicht gegönnt ist, sollen andere eben auch nicht haben - ergo...Ende der Nachhilfestunde.

Jedenfalls ist der Mittwoch wieder zum wichtigen Fernsehtag geworden, da sich ja nur wenige Minuten später auf RTL Das Model und der Schnüffler anschließt, eine ebenso genial ausgetüftelte, bislang recht witzige Serie, in der weise alte Killer Sätze von abgrundtiefer Wahrheit sagen dürfen wie: „Es ist nicht das Sterben, das wehtut, sondern das Leben.“ - Und wenn es nicht hin und wieder eine anständige Fernsehserie gäbe, wäre es überhaupt nicht auszuhalten.

Herr Dittmeyer

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