: Spottstadt Berlin
■ Berlins designierter Fußballmeister Reinickendorfer Füchse und seine verzweifelte Suche nach einem Stadion für die kommenden Aufstiegsspiele
Reinickendorf. Stell‘ die vor, die Reinickendorfer Füchse werden Berliner Fußballmeister und wissen nicht, wo sie ihre Aufstiegsspiele austragen sollen.
In der Tat wird sich der Oberligatitel der Füchse nicht mehr verhindern lassen. Nur die Dusseligkeit der „Sportstadt Berlin“ könnte solch Wunderwerk noch vollbringen. Bis kurz vor Saisonschluß wußte der Club nicht, wo er Mitte Mai seine Heimspiele gegen die Zweitligaanwärter austragen sollte. Den der eigene Fuchsbau am Reinickendorfer Freiheitsweg ist zu beengt und wird vom Deutschen Fußballbund (DFB) nicht akzeptiert.
Das Mommsenstadion, letztes Jahr schon Ort der gescheiterten Profiambitionen der Oberligisten, wurde vom Charlottenburger Bezirksamt gesperrt. Der lädierte Rasen müsse erneuert werden. Doch Füchse-Geschäftsführer Horst Quaegwer ist sauer: „Wenn Tennis Borussia die Aufstiegsrunde spielen würde, hätten sie sicherlich im heimischen Mommsenstadion spielen dürfen.“ Das riesige Olympiastadion sowie die vom DFB gesperrte Bruchbude Poststadion kamen von vornherein nicht in Frage.
Damit begann die Odyssee des ehrgeizigen Meistern in spe. Der Senat, berauscht von der Olympiadroge einer friedensstiftenden Sportstadt, war außerstande, dem Oberliga -Spitzenreiter ein adäquates Spielfeld zuzuweisen. Quaegwer: „Man hat uns im Stich gelassen.“ Aber wer kann sich schon um einen popeligen Amateurklub kümmern, wenn ihn staatsmännische Visionen umtreiben?
Vom Senat bitter enttäuscht, wollten sich die Grün-Weißen schon um den Jahnsportpark am Prenzlauer Berg in Ost-Berlin bemühen. „Der wäre von Reinickendorf nicht so weit entfernt wie das Momsenstadion“, entdeckt Quaegwer beim Blick auf seinen postrevolutionären Stadtplan. Diese Ost-Flucht wollte jedoch das Bezirksamt Reinickendorf auf keinen Fall zulassen. Schließlich sei man doch stolz auf die einheimischen Kicker und wolle sie deshalb mit aller Kraft unterstützen. In fieberhafter Eile offerierte der Bezirk dem schmollenden Mauerblümchen zwei Spielplätze: Das Stadion Finsterwalder Straße sowie den Platz an der Goeschenstraße.
Erstgenannte Alternative war bald vom Tisch, da das Anwesen nur 1.000 Zuschauer beherbergen kann. Blieb nur noch die Anlage an der Goeschenstraße mit einem ursprünglichen Fassungsvermögen von 3.000 Menschen. Für viel Geld werden nun provisorische Zusatztribünen installiert, um das geforderte Level zu erreichen. Was geschieht, wenn die Füchse tatsächlich aufsteigen sollen, kann selbst Quaegwer nicht sagen: „Vielleicht erhalten wir für das erste Zweitligajahr eine Sondergenehmigung des DFB für die Goeschenstraße.“
Doch Zweifel sind angebracht, da der Verband für diesen Fall ein Stadion für 15.000 Zuschauer vorschreibt. Kein Grund zur Panik für die Reinickendorfer Füchse. Sie setzen auf das Improvisationstalent der „Spottstadt Berlin“. „Es wird sich schon wieder einer finden, der uns einen Platz zur Verfügung stellt“, glaubt ein gestreßter Horst Quaegwer.
Jürgen Schulz
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