: GESTAMMEL VORM BEISCHLAF
■ „Kalter Kaffee. Eine dejaREvue“ vom Theater Spielraum
Ein Clown im Pierrot-Outfit erfreut sich an einer Spieluhr, die im Regal eines Wohnzimmers steht, findet einen Staubwedel und entstaubt damit nebst Einrichtung das Publikum, entdeckt, daß ein Drehstuhl sich dreht und daß man am Lichtpult das Licht ausmachen kann. Er macht es aus.
Der Clown ist nämlich der Techniker und seine infantilen Vergnügungen sind das Entree zur Inszenierung. Präsentiert werden Szenen zum tausendfach kolportierten Thema der Beziehung zwischen Frau und Mann. Bekanntes, allzu Bekanntes: das erste Rendezvous, die gemeinsame Wohnung, der große Krach und die Trennung. Ihren eigentlichen Witz soll diese Revue aus der frisch-fröhlichen Klischierung der genannten Beziehungssituationen empfangen. Klischees und Chargen können nicht billig genug sein: Das verliebte Paar schaut sich tief in die Augen und kann vor lauter Verlegenheit nur stammeln. In Erwartung des Herrenbesuchs drapiert sie aufgeregt den Tisch mit Kerzen, Keksen und Kaffee. Zu den Klängen der Toreromusik aus Bizets Carmen bereitet er den ersten Beischlaf vor, desodoriert seine Achselhöhlen, reißt das Marilyn-Poster von der Wand und stellt den Sekt kalt. Beim großen, von der Tatort-Melodie untermalten, Frust knallen die beiden ihre Tassen auf den Tisch und schmeißen sich Bücher um die Ohren. Allein und unglücklich nach der Trennung greift er zur Flasche und sie zum Putzlappen. Schließlich wollen sie noch einmal neu beginnen. Er zieht sich einen Batmangürtel in seine Hosen und legt ein Goldkettchen um den Hals. Sie zwängt sich in hautenges Leder, schmiert sich Gel ins Haar und vergißt auch den knallroten Lippenstift nicht. Das Ganze droht wieder von vorne loszugehen. Aber dann ist es Gott sei Dank doch zu Ende.
Das Premierenpublikum hätte sich allerdings auch noch eine halbe Stunde länger auf die Schenkel gehauen. Die Konzeption des Abends - mit geringstmöglichem Einsatz an Geist und Phantasie ein Publikum zum Juchzen zu bringen - war voll aufgegangen. Während eines Moments der Stille entfloh einem Herrn im Publikum ein Darmwind. Auch das wurde mit herzlichem Gelächter aufgenommen.
Katka Bischof
Noch zu sehen vom 18. bis 20. und 23. bis 27. Mai, jeweils 20.30 Uhr.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen