: MIT STICKER GEGEN BIO-FAKE
■ 1 5 . M A I 9 0
Durch die zunehmende Einfuhr biologischer Produkte aus dem Ausland und das steigende Angebot an verarbeiteten Produkten vergrößert sich die Zahl der Anbauverbände und der Markennamen in verwirrendem Ausmaß. Mittlerweile ist es soweit, daß auch die fachlich qualifiziertesten HändlerInnen kaum noch die Qualität aller im Laden befindlichen Produkte beurteilen können.
Im zunehmend anonymer werdenden Markt wird es für die VerbraucherInnen immer schwieriger, seriöse Waren von den Schummelangeboten zu unterscheiden. Allein auf dem noch sehr gut zu überschauenden Berliner Bio-Milchmarkt konkurrieren vier Molkereien mit sieben verschiedenen Abfüllungsarten.
Gegen die zeitraubenden politischen Debatten um die Einführung eines gesetzlich geregelten Biobegriffes haben sich die Verbände der Biohersteller, -Großhändler und -Einzelhändler im Dachverband „Bundesverband Naturkost- und Naturwaren e.V.“ (BNN) zusammengeschlossen. Man will Bedingungen bei der Produktion, Handel und Verkauf von Bioprodukten schaffen, die es den VerbraucherInnen ermöglichen, ohne Zweifel im Bioladen einzukaufen. Für die Ladner bedeutet das, Tranzparenz zu schaffen: Transparenz der Qualität, der Handelswege und der Deklaration.
Zur Qualitätssicherung hat der BNN ein eigenes Qualitätsreferat eingerichtet. Dort wird geprüft ob die Richtlinien eines Anbauverbandes ausreichend sind, so daß man von kontrolliert biologischen Anbau sprechen kann. Man orientiert sich dabei an der Bewertung kompetenter Organisationen wie zum Beispiel der „Arbeitsgemeinschaft Ökologischer Landbau“ (AGÖL). Dann wird geprüft, ob der Verband über ein Kontrollsystem verfügt, das die Einhaltung dieser Richtlinien garantiert. Die Anerkennung des jeweiligen Verbandes erfolgt nach der Prüfung durch ein unabhängiges Gremium, das mit Fachleuten aus den Bereichen Wissenschaft, Umweltschutz, Verbraucherschutz und ökologischer Landbau besetzt ist.
In den Läden, die im BNN organisiert sind, sollten dann auch nur Produkte auftauchen, die das Qualitätssiegel aus kontrolliert biologischen Anbau (kbA) tragen. Das gilt zumindest für die Bereiche Obst, Gemüse, Milchprodukte und Brot. Allerdings gibt es auch Ausnahmen: „Wegen der besonderen Situation bei Schaf- und Ziegenhaltung und der Marktsituation verzichten wir bis auf weiteres auf eine Regelung.“ Da wo das biologische Angebot noch nicht ausreicht, dürfen die HändlerInnen auf konventionelles ausweichen, um ein umfassendes Angebot zu garantieren. Denn nur so kann ein Naturkostladen heute noch seine Existenz sichern.
Wichtig erscheint mir die Frage der Deklaration. Sie darf die KundInnen nicht verunsichern. Neben dem Qualitätskürzel kbA (aus kontrolliert biologischen Anbau), was etwa 90 Prozent des Warenangebotes ausmachen sollte, muß laut Richtlinie konventionelle Ware als solche unmißverständlich deklariert werden, was bis heute in den meisten Läden nicht der Fall ist. Im BNN der EinzelhändlerInnen will man sogar soweit gehen, daß die Waren von BiogroßhändlerInnen, die nicht im BNN organisiert sind und deswegen nicht kontrolliert werden, wie konventionelle Waren behandelt werden.
Durchsetzen will der BNN für die Einzelhändler diese Richtlichen durch strenge Kontrollen und nach positiver Bewertung des Ladens durch die Vergabe eines Naturkostemblems mit dem geworben werden darf. Ob der BNN die auf ihn zukommenden verwaltungstechnischen und finanziellen Aufgaben wie Ausbildung von Kontrolleuren, Durchführung der Kontrollen, Auswertung der Kontrollen und Vergabe der Zertifikate wirklich leisten kann, bleibt abzuwarten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen