: Bessere Warenkörbe und weniger Geld
Eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung zur Realeinkommenssituation der DDR-Bürger nach der Währungsunion ■ D O K U M E N T A T I O N
Die beabsichtigte Regelung der Lohn- und Renteneinkommen im Staatsvertrag zwischen der DDR und der Bundesrepublik hat in der Öffentlichkeit die Diskussion über die Kaufkrafteffekte der Währungsunion auf die Haushaltseinkommen der DDR -Bevölkerung belebt. Dabei überwog zunächst die Vorstellung, daß die DDR-Bevölkerung nach der Umstellung bei gleichem Einkommen besser gestellt sei als vorher. Das Ifo-Institut konstatierte noch zuletzt „spürbare Kaufkraftgewinne“ nach Einführung der Währungsunion für „alle Verbrauchergruppen“ in der DDR.
Alle Berechnungen müssen von der Überlegung ausgehen, daß nach Einführung der Währungsunion nicht nur die Verbraucherpreise, sondern auch die Warenkörbe der privaten Haushalte in der DDR erheblich anders aussehen werden als zuvor. Die Qualität vieler Güter wird besser sein. In den meisten Kalkulationen wird vernachlässigt, daß nicht nur die Wünsche der Verbraucher nach bestimmten Produkten und die Höhe der Preise den Warenkorb bestimmen werden, sondern auch die Höhe des zur Verfügung stehenden Einkommens. Je niedriger das Haushaltseinkommen ist, um so größer werden die Kaufkraftverluste sein.
Dieser Effekt ist leicht zu erklären: Jeder Privathaushalt kauft lebensnotwendige Güter, deren Menge kaum eingeschränkt werden kann. Bei Haushalten mit einem niedrigen Einkommen ist der Anteil dieser Güter an ihrem gesamten Verbrauch sehr hoch. Gerade die Preise solcher Güter werden mit Sicherheit steigen. Deshalb wird der Anteil dieser Güter so stark zunehmen, daß für den Kauf der sich verbilligenden Industriewaren weniger Mittel als zuvor aus dem laufenden Einkommen zur Verfügung stehen werden. Haushalte mit sehr niedrigen Einkommen werden trotz einer starken Verbilligung von Industriewaren nicht die gleiche Menge dieser Produkte wie vorher kaufen können. Im Durchschnitt aller Haushalte wird der Effekt, der von der Verbilligung vieler Produkte für die Lebenshaltung ausgeht, aber nicht mehr erkennbar durchschlagen.
Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) hat in einer Modellrechnung versucht, diese Mischung aus Preis- und Mengeneffekten auf das Niveau der Lebenshaltungskosten in der DDR zu quantifizieren. Dabei wurde angenommen, daß den Haushalten unmittelbar nach Einführung der Währungsunion netto ebensoviel Einkommen in D-Mark gezahlt wird wie vorher in Mark der DDR, die Mieten zunächst noch unverändert bleiben und die übrigen Preise freigegeben werden. Wenn die Preise der Bundesrepublik für die Güter und Dienste (außer Mieten) sofort nach der Währungsunion auch in der DDR gelten, errechnet sich für alle Privathaushalte eine Erhöhung des Preisniveaus um rund ein Fünftel. Wenn eine Verringerung der Käufe von Nahrungsmitteln möglich ist und in der DDR viele Industriewaren und Dienstleistungen billiger wären als in der BRD, könnte zwar bei erwerbstätigen Haushalten das Preisniveau annähernd konstant bleiben, aber die Lebenshaltung der Rentner-Haushalte würde sich spürbar verteuern.
Viele Verbrauchergruppen müssen mit Kaufkraftverlusten, das heißt Realeinkommenseinbußen rechnen. Besonders hart trifft dies Haushalte mit niedrigen Einkommen. Insofern ist die Sicherung der Kaufkraft durch ein Mindesteinkommen gerechtfertigt.
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