: Der Lohn für's Überleben
■ Der Verbund selbstverwalteter Fahrradbetriebe e.V. stiftet einen Verkehrs-Preis für Alternativen zum motorisierten Individualverkehr
Der Lohn für's Überleben
Der Verbund selbstverwalteter Fahrradbetriebe e.V. stiftet einen Verkehrs-Preis für Alternativen zum motorisierten Individualverkehr
berleben im Verkehr ist möglich - allerdings nicht im Auto. Seit 1953 hat es in der Bundesrepublik über 500.000 Verkehrstote gegeben. In Berlin beispielsweise verunglückten allein 1989 14.816 Menschen bei Verkehrsunfällen, 109 wurden dabei getötet, 1.842 schwer verletzt. 70 Prozent der Unfälle ereigneten sich auf Hauptverkehrsstraßen, dort, wo freie Bürger freie Fahrt praktizieren. Der Verkehrstod zählt zu den drei häufigsten Todesursachen bei sogenannter „vorzeitiger Sterblichkeit“.
Als städtischer Lebensraum für alle kann ein Szenarium der Stoßstangen, der verpesteten Luft und der Ausweitung asphaltierter Flächen nicht mehr begriffen werden. Doch bislang mangelt es noch an attraktiven Alternativen zum motorisierten Individualverkehr. Der große Entwurf des Ausbaus des öffentlichen Personen-Nahverkehrs bleibt oft ein konsequenzloses Lippenbekenntnis: ungünstige Fahrrythmen mit langen Wartezeiten beim Umsteigen, schlechte Verbindungen in Außenbezirke der Städte und überhöhte Fahrpreise halten nach wie vor viele Menschen ab, vom allzeit verfügbaren Auto Abschied zu nehmen. Nicht zu vergessen die Frauen, die sich wegen der alltäglich drohenden Männergewalt des nachts weder in U-Bahnen trauen noch es wagen sich aufs Fahrrad zu schwingen. Und diejenigen, die tatsächlich auf das Auto verzichten, bleiben immer noch die Ausnahme.
er Verbund selbstverwalteter Fahrradbetriebe (77 Betriebe in der Bundesrepublik, West-Berlin, Wien und Kopenhagen) will es jetzt wissen: Was haben all die kleinen und großen Initiativen „von unten“, die den Menschen als Mittelpunkt des Verkehrssystems sehen, als Alternativen zu bieten? Um das herauszufinden und zu würdigen, stiftet der Verbund zukünftig alle zwei Jahre einen Preis, der an Einzelpersonen, Verbände, Gruppen, Initiativen, auch an Verwaltungen (aber nicht an Firmen) vergeben werden soll. Das kann die Durchsetzung verkehrsberuhigter Straßen und Plätze mit phantasievollen Mitteln sein - nicht als Reservat, sondern als Modell für die ganze Stadt. Es kann der Kampf gegen vollgeparkte Straßen sein - mit sicheren und ästhetischen Fahrradabstellanlagen beispielsweise. Oder es kann auch eine Schüler-Projekt-Woche sein zur Propagierung der natürlichen Fortbewegungsarten.
Der Verkehrspreis des Verbundes ist mit 5.000 DM dotiert, eine Aufteilung der Summe unter mehreren BewerberInnen ist möglich. Vergeben wird er im Rahmen der IFMA (Internationale Fahrrad- und Motorradausstellung) vom 19. bis 23. September 1990 in Köln.
BewerberInnen werden gebeten, ihre Unterlagen (Kurzdarstellungen, Skizzen, eventuell Presseberichte) bis zum 31.8.1990 an den Verbund selbstverwalteter Fahrradbetriebe e. V., Use Akschen 71-73, 2800 Bremen 21, zu schicken.
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