: Alle wollen nur das Gute
■ Was wird aus den Ostberliner Kinos? Die Ostberliner Kulturstadträtin Irana Rusta ist guten Willens
Wir wollen unsere Kinos nicht dem Kommerz überlassen, wir wollen eine vielfältige, lebensfähige Kinolandschaft“, versichert sie. Doch genau daran glaubt der amtierende Chef der Bezirksfilmdirektion (BFD), Friedhelm Meinert, nicht: „Trotz eines Empfehlungsschreibens des Kulturministers und einer Zusage der Treuhandgesellschaft stimmte Rusta einer Umwandlung der BFD in eine GmbH nicht zu. Man konnte den Eindruck gewinnen, daß die Theater hinter unserem Rücken verkauft werden sollten. Entgegen einer Zusicherung der Kulturstadträtin tauchten Listen mit zu vergebenden Kinos in der BRD und West-Berlin auf.“
In der alten DDR war das Lichtspielwesen zuallererst ein Politikum, zuallerletzt eine wirtschaftliche Unternehmung. Was die Zuschauer in den Kinos sehen konnten, bestimmte die Hauptverwaltung Film des Kulturministeriums, der die DEFA, der Progreß-Filmverleih und die Bezirksfilmdirektionen mit sämtlichen Kinos unterstanden. Das total überverwaltete Lichtspielwesen gab etwa doppelt soviel Geld aus wie es einnahm.
21 der mehr als 700 Kinos der DDR gehören bisher zur BFD Berlin. Bis vor kurzem arbeiteten hier noch 320 Menschen. Jetzt wird der Betrieb eingeschrumpft, damit er längerfristig ohne Subventionen, die jetzt noch vom Magistrat kommen, überleben kann.
Seit Monaten wird über die Zukunft der Ostberliner Kinos verhandelt. Die BFD wollte sich mit allen Kinos in eine GmbH umwandeln, um so mit westlichen Kinoriesen konkurrieren zu können und bessere Verhandlungspositionen gegenüber den Verleihern zu haben. Einige Filmtheaterleiter waren gegen die Umwandlung. Jörg Urban, Leiter des Kinos „Forum“: „Wir wollten die alten zentralistischen Strukturen nicht mehr. Das GmbH-Konzept macht die Filmtheaterleiter zu Marionetten. Wir wollten endlich selbst bestimmen, was in unseren Kinos läuft. Deshalb gründeten wir die 'Initiative Freies Kino‘.“
Nun gab es zwei Positionen innerhalb der BFD. Doch sie wurden nicht ausdiskutiert, um zu einer gemeinsamen Lösung zu kommen. Statt dessen gab es Beschuldigungen, die jeweils anderen wollten nur ihren Arbeitsplatz sichern, würden sich an westliche Kinobesitzer verkaufen. „Heute ist die Situation anders“, meint Jörg Urban, „wir wissen alle, daß es ohne finanzkräftige Partner aus dem Westen kaum geht, und es tut uns wohl allen leid, daß es so weit gekommen ist. Aber irgendwann waren die Fronten so verhärtet, daß wir nicht mehr miteinander reden konnten.“ Und auch Bezirksfilmdirektor Meinert akzeptiert die „Initiative Freies Kino“: „Sie werden es schwer haben, als einzelne zu überleben auf dem Markt, aber ich wünsche ihnen Glück. Wir sollten alle fair miteinander umgehen, auch bei unterschiedlichen Ideen.“
Ob ihnen diese Einsicht noch etwas nützt, wird sich zeigen, denn über die Zukunft der BFD und ihrer Kinos entscheidet Kulturstadträtin Rusta. Der Streit in der BFD war für sie der Anlaß, die Kinos auszuschreiben, „so daß sich alle Interessierten mit ihren Konzepten bewerben konnten. Heute bin ich froh, daß wir den vereinfachten, vom Kulturminister empfohlenen Weg nicht gegangen sind, daß wir die GmbH -Gründung verhindern konnten. Mit einer Ostkinokette wären weder Arbeitsplätze noch Vielfalt in der Kinolandschaft gesichert. Sie würde sich entweder sehr kommerziell orientieren und mehr als die Hälfte der Mitarbeiter entlassen müssen oder eingehen.“
Die Ausschreibung ist nun beendet und Irana Rusta muß sich zwischen 23 Bewerbern - unter ihnen Kinoleute aus der DDR, aber auch die bundesdeutsche Marktführerin Ufa und ihr Konkurrent, der Kinomulti Hans-Joachim Flebbe - entscheiden. Dafür hat sie eine Findungskommission mit Kinofachleuten aus Ost und West berufen, „aber nur solche, die sich nicht selbst beworben haben“. Im August möchte sich Rusta noch mit den Räten der Bezirke und den „Kulturtischen“ beraten. „Essential meiner Politik ist das kommunale Kino“, erklärt sie. „Möglicherweise können wir uns neben dem 'Babylon‘ noch ein zweites leisten. Sehr interessant ist auch ein gemeinsames Projekt von DEFA und Progreß, Kinos für den deutschen und osteuropäischen Film einzurichten.“ Unterstützen möchte die Kulturstadträtin auch ein Kinderfilmzentrum.
Eine wichtige Grundlage für die Vergabe der Kinos ist die Erhaltung von möglichst vielen Arbeitsplätzen. Dafür und für die Rekonstruktion der zum großen Teil ziemlich heruntergewirtschafteten Häuser wird viel Geld benötigt, das die BewerberInnen aus der DDR nicht haben. Rusta möchte trotzdem Zugeständnisse an westliche Kinobesitzer vermeiden. Wie, das ist noch unklar. „Ich möchte die kulturellen, sozialen und kommunalen Interessen Ost-Berlins wahren. Vielleicht finden wir einen vernünftigen Kompromiß für diese Quadratur des Kreises.“
Iris Pollatschek
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