: „Wo die Spree uffhört ...? - Hm - det is‘ 'ne jute Frage ...“
■ Wo kommt sie her, wo fließt sie hin? Die taz fragte BerlinerInnen über ihren Fluß aus
UMFRAGE
Berlin liegt an der Spree, es wird zuweilen auch Spree metropole oder gar Spree-Athen genannt, und der Berliner sagt man - sei stolz auf sein flüssiges Wahrzeichen. Nun ist Stolz zwar ganz nett, was aber weiß die BerlinerIn sonst noch über den vielbesungenen Wasserlauf? Weiß sie überhaupt was - oder nimmt sie das trübe Wässerchen einfach nur so hin, ohne sich viel Gedanken nach dem Woher und Wohin zu machen? Auf der Weidendammbrücke am Bahnhof Friedrichstraße, dort wo der Fluß täglich von Tausenden Menschen sozusagen mit Füßen getreten wird, fragte die taz einige Passanten, was sie über den Wasserlauf wissen.
Uwe Latzke, seit zehn Jahren in Ost-Berlin zu Hause, weiß immerhin, welches Gewässer er da überquert: „Det is‘ die Spree. Tja, und die is‘ insgesamt ungefähr 250 Kilometer lang. Wo sie anfängt? Na, irgendwo bei Cottbus oder so.“ Genauer wußte er das nicht zu beschreiben. Souverän antwortete Gerd Fuhrmann (54), Kraftfahrer in Ost -Berlin: „Daß det die Spree is‘, sieht man doch schon am grünen Wasser. Und anfangen tut se im Spreewald - irjendwo bei Cottbus da unten. Denn sammelt se sich und wird immer größer - bis sie denn hier ankommt, wa? - Wo die Spree uffhört? - Hm - det is‘ 'ne jute Frage.“ Liselotte Hein (63), Rentnerin aus Mitte, fühlt sich leicht verklapst: „Woll'n Se mir uff 'n Arm nehmen? Daß det die Spree is‘, weeß doch jedet Kind! Die Quelle is‘ da irjendwo bei Görlitz, und rinfließen tut se in den Müggelsee.“ Patricia Lehmann (15), Schülerin aus Wilmersdorf, weiß es ganz genau: „Also das hier ist nicht die ganze Spree, sondern bloß ein Spreearm. Wo die Spree entspringt, weiß ich nicht aber münden tut sie, glaub‘ ich, bei Potsdam in die Havel.“ Ein vorbeieilendes Ehepaar guckt etwas skeptisch. Dann mustert der Mann den Frager kurz und meint: „Na, Sie ham vielleicht Sorjen!“ Auch Elisabeth Henke (71) aus Mitte kommt die Frage nicht ganz geheuer vor: „Wat soll denn die dämliche Frage - det is‘ die Spree, det weeß man doch! Hm, also wo die Quelle is‘, weeß ick allerdings nich‘. Rinfließen tut se aber in den Wannsee, gloob ick.“ Der kleine Dirk Wassmann (7), der mit seinen Eltern für einen Tag aus Dresden angereist ist, will sich nicht festlegen: „Das ist ein Fluß.“ Zu weiteren Auskünften war er nicht bereit, und der Herr Papa wollte sich nicht so recht festlegen: „Also entweder ist das die Spree oder die Havel. Die Spree hat ihre Quelle in der Lausitz.“ Auf Lausitz tippt auch Peter Krell aus Prenzlauer Berg: „Da bin ich vor zwanzig Jahren mal in einem Kinderferienlager gewesen. Ich glaube, da irgendwo bei Spremberg muß das sein.“ Münden tut der Fluß nach seiner Meinung irgendwo in die Oder. Während ein Tourist mit fremdländischem Akzent bedauernd die Schultern hebt - „sorry, aber ich nicht von hier“ -, weißGerhard Mühlmann (69) ganz genau, was er unter sich hat: „Aber junger Mann, so wat weeß man doch! Schließlich wohn‘ ick hier schon üba vierzich Jahre!“ Nur wo der Fluß seine Mündung hat, ist ihm momentan entfallen: „Da müßt ick raten
-in Brandenburg?“ Wenn er auch nicht wußte, wo die Spree entspringt - die Frage nach der Mündung des Berliner Renommierflusses ist für Eberhard Schäfer (47) aus Spandau fast schon eine Beleidigung: „Sie wissen wohl nich‘, wo ick wohne?! Det is‘ bei mir um die Ecke - gleich an der Ju liusturmbrücke in Spandau, jawoll!“
Und was sagt zu all dem Meyers Neues Lexikon? Da steht zwischen „Sprechzeug“ und „Spreemetall“ unter „Spree“: „Linker Nebenfluß der Havel, entspringt in zwei Quellbächen oberhalb von Ebersbach im Lausitzer Bergland. Mündung in Spandau, Gesamtlänge 403 Kilometer.“
Na also!
Befragung: Olaf Kampmann
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