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Mit Fragezeichen jonglieren

■ US-Pantomime Andy Geer in Bremerhaven / Komischer Philosoph der Kinetik

Eine gefundene Banane wird Pistole, Telefonhörer, sprechendes Wesen, wehrt sich gegen den Verzehr, die Vernichtung, rebelliert noch im Körper als Fremdkörper: Konvulsivisches Bauchmuskelspiel, das grell geschminkte Gesicht wird zur Fratze. Der da mit dem Profanen ringt, ist der Mensch. Der Mensch fällt plötzlich in sich zusammen, ist grotesk und schwach und kauert im Raum als Fragezeichen.

„Sinn-Los“ (vielleicht nicht? ), das ist der Versuch des amerikanischen Pantomimen-Talentes Andy Geer, schwerwiegende Bedeutungsträger wie Sinn und Los (Schicksal! ) vorzuführen, wie sie zusammenspielen. Der Künstler vermeidet es, dabei in tränennasse Melancholie zu verfallen.

In Bremerhaven zeigte der 35jährige jetzt in seiner zweistün

digen Performance, daß philosophisch verzwickte Daseinsbetrachtungen nicht in naturgegebenem Widerspruch zu Humor und Ironie stehen müssen. Vielleicht liegt das in diesem Fall an dem besonderen Zugang, den der in München und Oregon lebende Geer zu seinem Publikum entwickelt hat. Denn sein pantomimisches Repertoire, das er sich bei allerersten Adressen der Pariser Pantomimik angeeignet hat, das hat er beizeiten erweitert durch andere Ausdrucksmöglichkeiten. Studien der der Psychologie, des Tai Chi, der Zeichensprache, des Jonglierens, des Balletts der Comedia dell'Arte und die Techniken von Moshe Feldenkrais prägten seinen Stil.

Geer ist ein konsequenter Improvisator und sucht, für sich und das Publikum, das Abenteuer.

Höchstens, daß er sich auf ein bißchen Rahmenhandlung stützt in seinen Vorstellungen. Sonst wird die Pantomime von Anlaß, Publikum und Räumlichkeit regiert.

Andy Geer führt ein in eine Welt der Illusionen, in der die ZuschauerInnen um ihre gewohnten Weltmaßstäbe bangen müssen. Steht das Glas auf dem Tisch oder der Tisch unter dem Glas? Ist das Glas überhaupt ein Glas oder ein Rohr oder ein Tisch? Geer ist ein Vexierspieler, der mit Wahrnehmungskategorien jongliert. Improvisation markiert, sagt Andy Geer, den Unterschied zwischen Sehen und Schauen.

Zu seinem komödiantischen Bewegungstheater passen gut die Free-Jazz-Ausflüge von Björn Pechmann, dem Kontrabassisten und Experimentalmusiker, der Geer nach Bremerhaven eingela

den hat. Weitere gemeinsame Auftritte: am Sonntag um 20 Uhr in der Burg Bederkesa Landkreis Cuxhaven, und am Montag um 20 Uhr in der Kulturetage Oldenburg.

Und gestern hat Andy Geer einen Workshop „Motion Theatre“ begonnen. Noch heute und morgen, 10 bis 16 Uhr in der VHS Bremerhaven. Kerstin v. Freytag Löringhof

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