: Der Mann, der den Arsch in der Hose behielt
■ Innenminister Diestel zog selbstzufrieden Bilanz — im PDS-Organ 'Neues Deutschland‘/ Dank an den „Apparat, den ich übernommen habe“/ Am Ende seiner Amtszeit nur noch Spott für Rücktrittsforderungen/ Vorwürfe gegen Bürgerkomitees
Berlin (taz) — „Die ständigen Attacken und diese Stehaufmännchen-Politik läßt viele sagen, der hat einen Arsch in der Hose und fällt nicht bei jedem Windstoß um“. Peter-Michael Diestel, 38 Jahre alt, heute noch Innenminister, morgen nur noch Spitzenkandidat der CDU in Brandenburg, zieht Bilanz. Nach 173 Tagen im Amt ist er voll des Lobes — vor allem über sich selbst. „Mein oberstes Ziel war“, resümiert Diestel, „den Menschen Ruhe, Ordnung und Sicherheit, auch Zuversicht zu vermitteln“. Das Ergebnis: „Das ist gelungen“. Und wenn dieses „urwüchsige, hervorragend demokratische Parlament“ jetzt diskreditiert werde, kann es Diestels Schuld nicht sein. Am Werke sind da „unverantwortliche Kräfte außerhalb unseres Landes, die versuchen, mit Kommißstiefeln in unserer Gefühlswelt herumzutrampeln“.
Schützend stellt sich Diestel auch vor die Mitarbeiter seiner Behörde. Von Anfang an habe er gewußt, „das geht nur mit dem Apparat, den ich übernommen habe, nicht mit importierten Leuten und nicht mit Menschen, die von Polizeiarbeit keine Ahnung haben“. Bemerkenswert. Der Apparat, den Diestel heute lobt, beherbergt immerhin an die 3.500 ehemalige Stasi-Mitarbeiter. Und wo Diestel die 130.000 Polizisten in der DDR hervorhebt, scheint er vergessen zu haben, daß eben jene Deutsche Volkspolizei im Unterdrückungsapparat des Honecker-Staates eine wesentliche Rolle gespielt hat.
Die Gelegenheit zur Selbstdarstellung räumte gestern das PDS- Blatt 'Neues Deutschland‘ dem Minister ein. Mit dem Interview honorierte der „schwarze Peter“ offenbar die Haltung der Partei von PDS-Chef Gregor Gysi, die in entscheidenden Momenten dem Innenminsiter zur Seite sprang. Beispielsweise, als der Abwahlantrag gegen Diestel in der Volkskammer scheiterte.
Die Stasi-Akte des Rechtsanwaltes Diestel bleibt weiterhin verschwunden. Auf ihren Inhalt von den Mitarbeitern des 'ND‘ angesprochen, wehrt der Minister ab. „Es gibt nichts über Diestel, überhaupt nichts“. Für die kursierenden Spekulationen hat Diestel nur Spott übrig. Mit Spott kommentiert Diestel auch die Rücktrittsforderungen aus den Kreisen der BürgerrechtlerInnen: „Ich halte diese Forderung für so akzeptabel wie die Tatsache, daß es früh hell wird und abends wieder dunkel“. Auf die Frage nach dem Verbleib der Hinterlassenschaft der Stasi im geeinten Deutschland und auf die Proteste der Besetzer in der Berliner Stasi-Zentrale angesprochen, beteuert er, „Diestel hat von Anfang gefordert, was diese Herrschaften fordern“. Dissens mit seinen politischen Gegnern hat es demnach nur in der Frage gegeben, ob die Stasi-Akten in den Bezirken verbleiben oder „konzentriert“ werden sollten. Schon immer habe er befürchtet, „daß das Material den westlichen Geheimdiensten in die Hand gegeben wird. Um uns in Menschen erster, zweiter, dritter Klasse zu dividieren“.
Die Bürgerrechtlerin Bärbel Bohley dürfte sich zwar mit einigem Nachdruck der Vereinahmungsstrategie Diestels erwehren. Aber auch dafür hat der CDU-Mann vorgebaut: „Wenn Frau Bohley lesen kann, und man kann das nicht ausschließen, muß sie einfach so fair sein und das erkennen“. Er habe kein Problem, mit Frau Bohley einer Meinung zu sein.
Herbe Vorwürfe verteilt der frühere DSU-Mitgründer dagegen in Richtung Stasi-Kontrolleure: „Ich weiß auch, daß von Seiten der Bürgerkomitees Persönlichkeiten sich in verbrecherischer Art und Weise an Aktenmaterial bereichert haben“. Daß er sich womöglich selbst bereichert habe, als er eine Haus aus Stasi- Beständen bei seinem eigenen Minsiterium erstand, schließt Diestel aber aus. Seine Villa am Zeuthener See: „Gegenüber den Häusern anderer Ministerkollegen ist das Haus ein Taubenschlag“. Wolfgang Gast
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