: Elmar Pieroth wird in Mainz nicht angeklagt
■ Im Glykolskandal gibt es angeblich zu geringen Tatverdacht gegen den Ex-Wirtschaftssenator/ Die Verträge zwischen Pieroth und dem Familienkonzern wurden aber nicht eingesehen/ Untersuchungsausschuß offenbart Ungereimtheiten im Verfahren
Mainz/Berlin. Die Weinstaatsanwaltschaft Bad Kreuznach wird »voraussichtlich gegen Ende des Jahres« Anklage im Pieroth-Glykolskandal erheben. Vom Verfahren ausgespart bleibt jedoch der Ostberliner Wirtschaftsstadtrat und Westberliner CDU-Abgeordnete Elmar Pieroth (CDU), gegen den das Bad Kreuznacher Weindezernat wegen des Verdachts der uneidlichen Falschaussage ermittelt hatte.
Der Leiter der Weinermittler, Bleh, erklärte gestern auf taz-Anfrage: »Inzwischen haben wir uns zu der Auffassung durchgerungen, daß gegen Elmar Pieroth der Tatverdacht so gering ist, daß eine Anklageerhebung wohl nicht geboten sein dürfte.« Elmar Pieroth halte zwar Firmenanteile, so Bleh, »hatte aber im Gegensatz zu den anderen Tatverdächtigen keinerlei Funktion mehr« im Betrieb. Die Erkenntnisse der Ermittler sind jedoch anzuzweifeln: Bis heute haben sie nicht einmal den Hauptbelastungszeugen gegen Elmar Pieroth — den Rechtsanwalt Schulz-Knappe — verhört.
Ob der Ex-Senator wirklich keinen Kontakt mehr zum Konzern hatte, will auch der Untersuchungsausschuß »Pieroth/Glykol« überprüfen. Doch wie es in Mainz hieß, »verweigert« die Staatsanwaltschaft dem Ausschuß Kopien der Beraterverträge, die zwischen dem Ex-Wirtschaftssenator Pieroth und seinem früheren Konzern bestanden. Bleh hielt dem entgegen, es sei noch kein Antrag auf Einsicht gestellt worden: »Wir müßten sonst diese Unterlagen wohl herausgeben.«
Diese Verträge beleuchten, inwieweit Pieroth auch von West-Berlin aus noch im Pieroth-Konzern mitmischte. »Zum anderen könnten diese Dokumente«, so ein Weinjurist, »Verstöße Pieroths gegen das Westberliner Senatorengesetz offenbaren, das SenatorInnen wirtschaftliche Nebentätigkeiten untersagt«.
Bei der Sitzung des Untersuchungsausschusses am Montag wurden neue Ungereimtheiten deutlich. Es ging dabei in erster Linie um die überraschende Abberufung des Weinstaatsanwalts Haentjes im Jahre 1988, der als Pieroth-Experte galt. Haentjes, der inzwischen nach justizinternem Kleinkrieg gänzlich suspendiert wurde, war aus dem Pieroth-Verfahren abgezogen und »zur Bewährung« dem Koblenzer Generalstaatsanwalt Ulrich (CDU) unterstellt worden. Wie Ministerialrat Pandel — im Mainzer Justizministerium ebenfalls mit Pieroth befaßt — gestern aussagte, habe Ulrich bei der Versetzung Haentjes' erklärt, »Nachteile im Pieroth-Verfahren müßten in Kauf genommen werden«. Der FDP-Obmann im Ausschuß, Dieckvoß, deckte gestern zudem auf, daß Ulrich einen Bericht der damals noch in Mainz ansässigen Weinstaatsanwaltschaft gestoppt hat. Inhalt des Berichts: die Überlastung des Weindezernats nach dem Weggang von Staatsanwalt Haentjes, worunter auch die Pieroth-Ermittlung litten. Dieckvoß vor dem Ausschuß: »Der Bericht war ihm [Ulrich] offenbar nicht gut genug.« Joachim Weidemann
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen