: Prenzlau braucht die Friedenspfeife
Im uckermärkischen Prenzlau kassiert die Bundeswehr knallhart Militärimmobilien ein, ohne Rücksicht auf bestehende Konversionsprojekte/ Angst vor Herausgabe der Objekte oder Pachtwucher ■ Von Thomas Worm
„Jetzt haben sie um die einstige Raketenabwehrstation bei Seggun den Betonzaun dichtgemacht. Überall sieht man hier, daß die Bundeswehr 'ne Rolle spielt“ — SPD-Landrat Hans-Joachim Wellmann aus Prenzlau gibt die 16 Hektar Waldgelände vorerst für verloren, die Bürgerproteste im vergangenen Oktober der NVA-Generalität abtrotzten. Die Erweiterung der Boden-Luft-Abwehrstation hatte nämlich Demonstrationen der Prenzlauer provoziert, in deren Gefolge NVA-General Schwipper die Rücküberführung des Rodungsgebietes an die Kommune zu Protokoll gab. Doch für den Rechtsnachfolger der Nationalen Volksarmee, die Bundeswehr, scheinen derlei Abmachungen Makulatur zu sein. Auch im uckermärkischen Prenzlau hat man jüngst Verteidigungsministers Stoltenbergs Ankündigung zur Kenntnis genommen: In einem ersten Schritt sollen über 50 Kasernen und 6.500 Hektar Militärgelände der Ex-DDR zwecks ziviler Nutzung zurückgegeben werden. Von diesem zivilcouragierten Ansatz ist bislang in Prenzlau wenig zu spüren. Vielmehr werden in dem Garnisionsort bestehende Rüstungskonversionsprojekte auf Eis gelegt. Da gibt es zum Beispiel das einstige Armeelazarett im Militärbezirk 5. Hieraus ist mittlerweile ein Altenpflegeheim entstanden, in dem über 60 Menschen untergebracht sind. Zudem praktizieren bereits Zahnärzte und Fußtherapeuten, eine Zahntechnikerpraxis ist fast fertig gebaut. „Wir haben große Angst, daß die Bundeswehr das Objekt zurückverlangt oder horrende Summen an Pachtzins einfordert“, befürchtet Sebastian Finger, Konversionsaktivist und SPD-Mitglied. Für hiesige Militärimmobilien sind um die 300.000 Mark Pacht im Gespräch, welche die Gemeinde dann an die Bundeswehr jährlich zahlen müßte.
Allerdings beharren die Prenzlauer darauf, daß ihnen dieses Objekt zusteht und nicht der Bundeswehr. Der Kreistag hatte im letzten Jahr mündliche Abmachungen mit den zuständigen NVA-Oberen getroffen. Und obwohl es zunächst so schien, als wolle Abrüstungsminister Eppelmann die Angelegenheit absegnen, verweigerte er dann schließlich doch die Unterschrift. „Damit ist der Rechtsträgerwechsel formal nicht vollzogen“, erläutert Sebastian Finger. Beileibe kein Einzelfall in der Uckermarktstadt.
Spontan war nach den Novemberereignissen in der Prenzlauer „Roten Kaserne“, Standort eines Pionier- Baubatallions, unter Offizieren und Soldaten die Idee zu einem Hotelumbau entstanden. Die Armeeangehörigen sollten mitbauen und danach im Hotel Arbeitsplätze erhalten. Außerdem gab es Überlegungen zu einer Schwimmhalle auf dem Kasernenhof. Konversion von unten par excellence. Mit der alten Armeeführung in Strausberg war dies alles abgesprochen. Doch das Projekt kam nicht in Gang. Auch deshalb, weil Baufirmen wegen der ungeklärten „Eigentumsverhältnisse“ zurückzogen.
„Entgegen allen Absprachen, fangen die Porbleme mit dem Einzug der Bundeswehr jetzt wieder an“, kommentiert Landrat Wellmann die Lage. Der neue „Standortälteste“, der Oberkommandierende vor Ort, Oberstleutnant Weitzel aus Minden, wirbt für den Armeestandort Prenzlau. Ginge es nach seinem Willen, würde hier ein ABC-Batallion von etwa 500 Soldaten stationiert sein, zusätzlich noch bis zu 200 Zivilbeschäftigte. Die Bundeswehr versucht die Kommunalpolitiker mit dem Arbeitplatzargument zu ködern wie unlängst auf einer Diskussionveranstaltung. Angesichts von 25 Prozent Arbeitlosen und Kurzarbeitern in der Gemeinde möchten eine Reihe örtlicher Entscheidungsträger deshalb den Uniformierten nicht rigoros die Türe weisen. Obwohl die Gemeindevertretung jetzt in einem Protestbrief an die Hardthöhe, die sofortige Überlassung aller Militärobjekte gefordert hatte. Bisher weiß niemand, inwieweit die Uckermärker in puncto Arbeit tatsächlich von einem Bundeswehrstandort Prenzlau profitieren. Denn wieviele eigene ABC- Soldaten der Mindener Oberstleutnant aus dem Westen mitbringt und wieviel Zeitsoldaten und Zivilisten aus dem Osten übernommen werden — darüber schweigt das Bundeswehrkommando. Aber die Prenzlauer stehen nicht allein. Gerade aus Minden, der Partnerstadt Prenzlaus, erhalten sie in Sachen Konversion Schützenhilfe vom „Bund für Soziale Verteidigung“. Ihr Vorstandsmitglied Roland Vogt erinnerte kürzlich daran, daß es Potsdam am 3. Oktober in einem Friedensbeschluß abgelehnt hat, zur Garnisonsstadt des Heereskommandos Ost zu werden. Hehres Vorbild für die Prenzlauer.
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