: Die Wahrheit ü über Öko-Wein
Kann man von Öko-Wein mehr und folgenloser trinken, da er gesünder ist? Ist es nicht sogar die Pflicht umweltbewußter Menschen, solch gesunden Rebensaft zu trinken? Engagierte Vieltrinker mögen sich solche Fragen stellen. Nicht so ■ MANFRED KRIENER KARLHEINZ HILLEBRECHT
taz: Der Öko-Weinbau ist als ein Konzept zur Minderung von Gift und Schadstoffen inzwischen weithin anerkannt. Wie sieht es dagegen mit der Qualität von Öko—Weinen aus? Können Sie sich da von herkömmlich wirtschaftenden Betrieben ebenfalls unterscheiden?
Hillebrecht: Wir können Qualität nicht nur als Qualität des Endproduktes diskutieren, sondern müssen die Qualität des gesamten Herstellungsprozesses betrachten. Der Wein ist eines der wenigen Produkte, das während des gesamten Herstellungsprozesses in einer Hand liegt. Und dieser lange Prozeß muß insgesamt umweltverträglich sein, das ist zunächst mal seine wesentliche Qualität.
Es gibt aber zwischen herkömmlich wirtschaftenden Winzern und Öko-Winzern viele Unterschiede im Anbau und Ausbau von Wein, die sich auch auf die Qualität des Weins auswirken. Die von Ihrem Verband als Soll-Vorschrift vorgegebenen Ertragsbeschränkungen sind hier sicherlich ein Punkt.
Die Sollvorschrift zur Ertragsbeschränkung ist im Grunde gar nicht notwendig. Allein durch den ökologischen Bewirtschaftungsprozeß ergibt sich fast automatisch eine Ertragsminderung. Entscheidend ist dabei der Verzicht auf Kunstdünger. Die ungeheuren Ertragssteigerungen der letzten Jahre gehen vor allem auf den Einsatz von Kunstdünger zurück. Wenn Sie darauf verzichten und nur natürliche Dünger und organisches Material zulassen, dann wird die Rebe eben vernünftig gedüngt und nicht mit Stickstoff gemästet, und Sie haben dann wieder einen geringeren, sprich normalen Ertrag.
Ein anderes Qualitätsmerkmal sind die Rebsorten. Wenn man sich den Sortenspiegel der Öko- Winzer ansieht, dann wimmelt es dort genauso von fragwürdigen Neuzüchtungen wie Ortega, Optima, Huxel, Kanzlerrebe, Domina etc., während die klassischen Rebsorten zurückgehen.
Die meisten Öko-Winzer haben ihre Betriebe in den 70er Jahren oder noch später übernommen. Und ein Weinberg steht nun mal 20 bis 30 Jahre, bevor er neu angepflanzt wird. Häufig stehen also noch die Pflanzen, die in den 60er und 70er Jahren gesetzt wurden, und das waren entsprechend der damaligen „Mode“ sehr viele Neuzüchtungen. Wenn Sie sich jetzt mal die Weinberge ansehen, die neu angepflanzt wurden, dann dominieren dort die klassischen Rebsorten deutlich. Die Ortega und Optima, um zwei besonders schlimme Beispiele zu nennen, laufen halt als Auslaufmodelle häufig noch mit, bis sie dann altersbedingt gerodet und von einer Neuanpflanzung abgelöst werden. Der Trend geht zu den landschaftlich typischen, klassischen Rebsorten, und die empfehlen wir auch.
Aber Sie schreiben sie Ihren Mitgliedern nicht vor?
Das können Sie nicht erzwingen. Das muß der Markt regeln. Aber es ist ja heute auch im herkömmlichen Weinbau erkennbar, daß die vielen Neuzüchtungen bis auf Müller-Thurgau, Kerner und einigen wenigen anderen allmählich verschwinden. Für den ökologischen Weinbau sind aber vor allem solche Sorten zu empfehlen, die nicht so anfällig sind gegen Pilzbefall, Schädlinge und Krankheiten. Und auch unter diesem Gesichtspunkt bewähren sich vor allem die klassischen Rebsorten wie zum Beispiel Riesling, Silvaner, Spätburgunder.
Im Wein-Ausbau gibt es inzwischen einen deutlichen Trend hin zu mehr Frische und Fruchtigkeit. Das heißt, der Wein bleibt nicht mehr so lange im Faß, sondern wird früher auf die Flasche gezogen. Inwieweit unterstützt Ihr Verband diese Entwicklung?
Der Trend geht auch bei uns deutlich zum reduktiven Ausbau, also möglichst bei Luftabschluß, möglichst schnell, möglichst sauber und möglichst rasch auf die Flasche, denn der Wein baut sich in der Flasche gesteuerter aus als im Faß. Aber hier gibt es starke regionale Unterschiede. An der Mosel werden Sie den Wein immer etwas länger im Faß lassen, weil er seine Säure im großen Gebinde besser abbaut.
In der Kellertechnik wird im Öko-Weinbau auf eine umfangreiche Schönung und auf die Asbestfilterung verzichtet. Man will nicht unbedingt auch noch den letzten Trubstoff beseitigen. Was bedeutet das für den Geschmack des Weines?
Die Trubstoffe spielen geschmacklich keine große Rolle. Bei ganz scharfen Schönungen mit Hilfsmitteln in hohen Dosierungen oder bei der Kohleschönung, mit deren Hilfe Weinfehler beseitigt werden sollen, wird natürlich auch der Geschmack und die Typik eines Weines herausgeschönt. Aber jeder vernünftige Kellermeister verzichtet heute auf solche massiven Eingriffe, auch die meisten herkömmlich wirtschaftenden Betriebe.
Rein geschmacklich sind natürlich auch Pestizide nicht zu schmecken. Trotzdem können sie indirekt auch geschmackliche Auswirkungen haben.
Das ist richtig. Durch den Pestizideinsatz werden auch gutartige Organismen zerstört, zum Beispiel die Hefepilze an den Trauben, die später im Keller die Gärung auslösen. Durch hohen Pestizideinsatz gibt es häufig Gärschwierigkeiten. Dann müssen zugekaufte Reinzuchthefen eingesetzt werden, die aber einen anderen Wein produzieren als die hauseigene, natürliche Hefe. Öko- Winzer kennen solche Probleme nicht.
Ein anderes, sehr wichtiges Qualitätsmerkmal ist die Lage eines Weinbergs. Gibt es inzwischen auch Winzer aus Spitzenlagen, die Ihrem Verband beigetreten sind?
Wir haben verschiedene Weingüter, die durchaus Spitzenlagen besitzen. In Deutschland werden aber Spitzenlagen vom Weingesetz eher benachteiligt. Durch die vielen Großlagenbereiche und das ganze Durcheinander können Sie heute eine Spitzenlage auf dem Etikett ohnehin immer schwerer identifizieren, wenn Sie nicht gerade ein Experte sind. Es gibt außerdem Lagen, die heißen Soundso-Berg oder -Hang, und da ist kilometerweit weder ein Berg noch ein Hang zu sehen. Aber damit müssen wir leben.
Können Sie uns ein paar renommierte Namen nennen?
Das tue ich ungern. Ich könnte jetzt sagen, dort gibt es eine Spitzenlage, rennt alle dahin und laßt die anderen links liegen. Das empfinde ich als diskriminierend, zumal das Niveau ohnehin nicht mehr so stark auseinanderklafft. Gerade in den letzten Jahren hat sich gezeigt, daß auch von weniger berühmten Lagen gute Weine kommen können.
Öko-Weine sind erfreulicherweise meist durchgegoren und werden ohne viel Restsüße abgefüllt. Leider wird aber manchmal auch in schlechten Jahren auf eine Entsäuerung verzichtet, und man kriegt dann einen Tropfen, der zwar „naturrein“ ist, aber auch so sauer, daß er einem das Gesicht zusammenzieht. Warum sind hier manche Kollegen so dogmatisch?
Der Trend geht inzwischen weg von einem dogmatisch verfertigten Naturprodukt. Der Wein muß nicht immer unbedingt knochentrocken sein. Die Rechtgläubigen, die immer noch daran festhalten, sind an einer Hand abzuzählen. Vor zehn Jahren, als die Trockenwelle auf dem Höhepunkt war, galt es noch als Sakrileg, wenn ein Wein mal ein paar Gramm Restsüße hatte. Heute ist man da wieder großzügiger geworden. Auf unserer letzten Öko-Weinmesse war deutlich spürbar, daß erstens die Weine deutlich besser geworden sind und zweitens sind sie auch gefälliger, wenn man dieses böse Wort mal gebrauchen darf. Deswegen müssen sie ja noch lange nicht süß sein.
Wie gehen denn überhaupt die Geschäfte im Öko-Weinbau?
Die Nachfrage ist immer noch bedeutend größer als das Angebot. Es gibt aber auch bei uns gute und schlechte Vermarkter, und so stehen und fallen die Geschäfte mit dem Talent des Anbieters. Aber die Voraussetzungen sind sehr günstig. Auf der letzten Öko-Weinbörse für Faßwein-Vermarkter wurden zum Beispiel 70.000 Liter 89er verkauft und das zu einem erstaunlich guten Preis, der höher lag als konventioneller Wein.
Wieviel Betriebe haben Sie jetzt unter Vertrag?
Wir haben 70 Vertragsbetriebe und 50 in der Umstellung. Es geht zwar steil aufwärts, aber insgesamt stellt der Öko-Weinbau immer noch einen Anteil von nicht mal einem Prozent. Das ist nicht gerade viel.
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