piwik no script img

Energie aus der Batterie-Cadmium im Blut?

Die 600 AnwohnerInnen des Hagener Varta-Batterien-Werks sollen jetzt auf Schwermetallvergiftungen untersucht werden  ■ Von Bettina Markmeyer

Hagen (taz) — Über 600 Hagener Erwachsene und Kinder sollen in dieser und in der kommenden Woche auf Cadmium- und Nickelablagerungen im Körper untersucht werden. Die Betroffenen wohnen in der Nähe des Varta-Batterien-Werks in Hagen-Wehringhausen und wehren sich seit Jahren gegen die schleichende Schwermetallvergiftung ihrer Gegend durch die Batterien-Fabrik. Die jetzt geplanten Untersuchungen hatte das medizinische Institut für Umwelthygiene an der Heinrich- Heine-Universität in Düsseldorf in einem toxikologischen Gutachten empfohlen, das dem Hagener Umweltausschuß Mitte Oktober vorgestellt worden war.

Die Bürgerinitiative gegen Cadmium kritisiert jedoch die Methode der Schwermetall-Tests. Falls neben den angekündigten Blut- und Urinuntersuchungen nicht auch eine Haarmineralienanalyse erfolge, so die BI, „werden die Untersuchungen eine Farce, die nur Steuergelder verschlingt“. Im Blut könne nur die akute Belastung und im Urin die Ausscheidung von Giften gemessen werden. Haarmineralienanalysen, bei denen Haare chemisch aufgelöst und anschließend auf ihre Zusammensetzung und Belastungen mit fremden Stoffen untersucht werden, könnten dagegen besonders über Schwermetall-Anreicherungen Auskunft geben, die durch vergleichsweise niedrige aber ständige Belastung entstehen. Die Bürgerinitiative beruft sich dabei auf Erkenntnisse der Weltgesundheitsorganisation sowie auf amerikanische WissenschaftlerInnen, die mit dieser Methode u.a. verläßliche Aussagen über Bleivergiftungen bei ArbeiterInnen in der Glasindustrie gemacht haben. Die BI- Mitglieder forderten die Betroffenen auf, die Untersuchungen zu boykottieren, sofern lediglich Blut- und Urintests gemacht würden.

BI klagt über halbherzige Tests

Für die BI zeigen die halbherzigen Schwermetall-Tests, deren Ergebnisse Ende des Jahres erwartet werden, einmal mehr, daß die Stadt Hagen weiterhin versucht, Vergiftungen der Varta-Nachbarschaft herunterzuspielen. Nachdem die Stadt nach BürgerInnenprotesten im Mai 1988 einen Spielplatz in der Nähe des Werks wegen hoher Cadmiumbelastung schließen mußte, hatte sie seit Mitte 1989 ein Jahr lang Staubniederschlags- und Schwebstaubmessungen durchführen lassen. An einzelnen Meßpunkten, die dem Werk am nächsten lagen, wurde bei den Staubniederschlägen der Cadmiumgrenzwert im Jahresmittel um das Doppelte und der Orientierungswert für Nickel sogar um das Fünffache überschritten. Beide Stoffe sind als krebserzeugende Arbeitsstoffe eingestuft.

Bei der Auswertung der Staubmessungen und in dem darauf basierenden toxikologischen Gutachten des Düsseldorfer medizinischen Instituts für Umwelthygiene seien jedoch, so die Kritik der BI, Mittelwerte errechnet worden, die die tatsächliche Belastung an einzelnen Orten nicht wiederspiegelten. Nur so hätten die Düsseldorfer Gutachter zu dem Ergebnis kommen können, daß nach den „gemessenen bzw. errechneten Belastungen Gesundheitsstörungen mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht zu erwarten sind“. Das Fazit der BI: „Teure Gutachten zur Beschönigung der Schwermetallvergiftung.“ Daß dieselben Gutachter die jetzt angelaufenen Untersuchungen empfahlen, um „dennoch etwaige Restunsicherheiten dieser Bewertung beseitigen zu können“, zeuge, so Erhard Kuhlmann von den Varta- GegenerInnen, „von deren schlechtem Gewissen“. Mit der ungenügenden Schwermetall-Reihenuntersuchung erfülle die Stadt Hagen im übrigen nur eine Forderung der Varta- GegnerInnen. Nach wie vor fehlten die seit zwei Jahren geforderten Hausstaubanalysen sowie systematische Untersuchungen über Auswirkungen von Cadmium- und Nickelimmissionen auf Gemüsepflanzen in den Gärten der AnwohnerInnen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen