piwik no script img

Nach vierzig Sekunden wurde es Nacht

■ Der Boxring Berlin schlägt vor 1.140 Zuschauern in der Bruno-Gehrke-Halle den BSK 27 Ahlen mit 16:14/ Beide Teams sind in der Endrunde um die erste gesamtdeutsche Boxmeisterschaft, die im Februar in Berlin und Schwerin stattfinden wird

Spandau. Gegen den CSC Frankfurt/M. am Samstag vor acht Tagen stieg Jörg Kästner vom BSK 27 Ahlen schon nach zwanzig Sekunden aus dem Ring, obwohl er bis dato von seinem Gegner Egidio Pesedo kaum berührt worden war. Begründung Kästners: Er bekäme zuwenig Geld vom Klub. Wobei die gewöhnlich schlecht unterrichteten Kreise etwas ganz anderes verlauten lassen. Naja, nach seinem letzten Kampf am Sonnabend gegen Adnan Özcoban vom Boxring Berlin braucht er vorerst ohnehin keine Ausreden mehr: vierwöchige Schutzsperre nach K.o.-Niederlage.

Und das, obwohl er diesmal anscheinend kämpfen wollte. Nach 39 Sekunden der ersten Runde lag er jedenfalls noch gut im Rennen, in der 40. jedoch am Boden. Ein rechter Kopfhaken seines Gegners ließ es Nacht um ihn werden.

Es war nicht der einzige vorzeitig beendete Fight des Tages in der bis auf die Stehplätze gefüllten Bruno- Gehrke-Halle: 1.140 Zuschauer, von denen vor allem die türkischen für eine überbrodelnde Stimmung sorgten und stark infarktgefährdet schienen, wenn ein Landsmann in den Ring trat.

So zum Beispiel Nadir Kurt. Erst seit einer Woche hat er die deutsche Staatsbürgerschaft. In seinem Kampfanzug, die schwarzen Haare aus dem Kopfschutz wie Hörner heraustretend, sah er aus wie ein roter Teufel und kämpfte auch wie ein solcher, ließ seinem Gegner Mustafa nicht die Spur einer Chance und fügte ihm die erste Niederlage in der Liga zu.

In der Halbmittelgewichtsbegegnung zwischen dem Berliner Bert Schenk und Holger Brunns warf der Ahlener Trainer Radowski nach gut zweieinhalb Minuten das Handtuch. Brunns war eh nur Ersatz für Stammboxer Joachim Gustafson. Aber laut Meinung der Ahlener Verantwortlichen hätten beide gegen den Berliner Linksausleger alt ausgesehen. Warum also für 2.500 DM extra den Schweden einfliegen lassen, wenn Brunns für 300 DM kämpft?

Danach der ästhetisch wohl schönste Kampf. Boxen, wie es sein soll — Fechten mit der Faust. Sven Ottke gegen den Ahlener Norbert Nieroba. Im Hinkampf in Ahlen hatte es nach diesem Fight einige Tumulte gegeben, da die Zuschauer Nieroba eindeutig als Sieger gesehen hatten, die Kampfrichter jedoch den „Boxer des Jahres 1990“. Ottke selbst war nach dem Kampf zu Nieroba gegangen, um ihm zu sagen, daß er das Urteil nicht verstehe.

Am Samstag nun erkämpfte sich Nieroba in einem offenen Schlagabtausch vor allem in der dritten Runde deutliche Vorteile und konnte sich so für die umstrittene Niederlage in Ahlen revanchieren, da diesmal auch die Punktrichter zuschauten.

Dann das nächste frühzeitige Aus. Wieder für einen Ahlener. Nachdem er dreimal wegen Boxens mit der Innenhand verwarnt worden war, mußte Marian Gavrila disqualifiziert werden. Damit war der Sieg für Berlin schon perfekt und der letzte Kampf im Schwergewicht zwischen Maik Heydeck und Andreas Schnieders nur noch reine Formsache, sein vorzeitiges Ende durch Berliner Handtuchwurf in der zweiten Runde auch nichts Ungewöhnliches mehr. Endstand: 16:14 für den Berliner Boxring.

Zwar nicht das von Trainer „Bubi“ Dieter prophezeite 17:13, aber „der Schritt zu Platz eins in unserer Südgruppe und damit zur Meisterschaftsendrunde im Februar“, ist für den Spandauer sicher.

Recht hat er, denn nach den Samstagkämpfen stehen bereits vor dem letzten Boxtag am kommmenden Wochenende die Teilnehmer der ersten gesamtdeutschen Endrunde fest, die vom 2. bis 17. Februar in Berlin und Schwerin ausgetragen wird: SC Schwerin (16:13 gegen Gelsenkirchen) und Sparta Flensburg (16:13 gegen Leverkusen) in der Gruppe Nord, sowie in der Gruppe Süd eben der Boxring Berlin und trotz der vorgestrigen Niederlage der BSK Ahlen. Katrin Scholz

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen