piwik no script img

Alte und neue Adelige

Während die Rote Armee in entfernten Republiken das Volk zusammenschießt, kommt es mitten in Moskau zu einer Wiedergeburt. In einer „Präsentationswoche“ und bei dem Festival „Wiedergeburt“ hatte sich die neue Vereinigung „Adelsversammlung“ der sowjetischen Öffentlichkeit vorgestellt. Schon geben die Blaublütigen ein Mitteilungsblatt heraus, in dem Menschen mit adeliger Abstammung aufgefordert werden, sich zu melden. Der Sitz der Vereinigung ist die Snamenski-Kathedrale. Dort gibt Graf Bobrinski jeden Donnerstag Aufnahmeanträge aus. 300 Adelige sind schon registriert. „Mit der Zeit werden es natürlich mehr“, schreibt das Blatt, „50.000, zusammen mit den Emigranten vielleicht 100.000. Aber das ist immer nur ein Zehntel dessen, was einmal war.“ Die russischen Adeligen sollten es sich vielleicht noch einmal überlegen mit ihrem Coming-out. Denn so lustig wie früher geht's in der Aristokratie heute auch nicht mehr zu. Zumeist sind die Blaublütigen eh nur noch als Futter für die Klatschspalten zu gebrauchen. Gerade wird zum Beispiel wieder ein riesiges Tamtam um eine bevorstehende Scheidung gemacht. Obwohl Prinzessin Anne und ihr Gatte Mark Phillips sich schon im August 1989 nach 15 Jahren Streit und zwei Kindern getrennt hatten, soll es jetzt amtlich werden. Die Queen hat jetzt die Sache in die Hand genommen und mit Mark Phillips einen Ehescheidungsvertrag ausgehandelt. Man munkelt, die Prinzessin würde ihrem Mann eine Abfindung von 250.000 Pfund zahlen. Soviel Geld könnte auch der schwedische König Carl Gustav gut gebrauchen, damit könnte er nämlich endlich auch private Fernsehprogramme sehen. Der Grund dafür, daß der gelangweilte König und seine Familie sich auf den Empfang der beiden Programme des öffentlich-rechtlichen schwedischen Fernsehens beschränken müssen, ist deren bescheidener Wohnsitz: das aus dem 17. Jahrhundert stammende Schloß Drottningholm. Um die malerische Hütte ans Kabel anzuschließen, müßte der knausrige König eine Million Schwedenkronen (rund 350.000 Mark) hinblättern. Das sei „völlig unrealistisch“, ließ der Monarch verkünden. Aber eine Parabolantenne für Satellitenempfang darf sich Carl Gustav auch nicht installieren. Schwedens Denkmalschützer verboten ihrem Monarchen die Errichtung einer derartigen Salatschüssel auf dem Dach des historischen Gebäudes, da dies die Silhouette der Touristenattraktion verschandeln würde. Karl Wegmann

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen