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Schweigen im Mädchenpensionat

Jane Russell, BH-Pionierin und Hollywood-Schlachtschiff jenseits der siebzig, informierte sich während ihres Berlinale-Besuchs über das Wurzel- und Astwerk ihres polnischen/preußischen Stammbaums. Russels Urahnen stammen aus Poznan. Die erstaunten ArchivarInnen im Preußischen Staatsarchiv grüßte sie zum Abschied mit einem herzlichen »Posen ist deutsch!«.

Anläßlich des Stapellaufs eines monumentalen Paulskirchen-Historienschinkens des Berliner Malers Johannes Grützke im Künstlerhaus Bethanien (s. Kulturseiten) versammelten sich neben allerlei Politklimbim und Medienmischpoke auch etliche MalerInnen aus dem östlichen Teil Deutschlands. Beispielsweise der Dresdner Historienmaler und Peter-Weiss-Illustrator Hubertus Giebe und der Leipziger Nacktkulturist und Beziehungskistenanalytiker Steffen Plenckers durften sich davon überzeugen, daß auch im Westen Sozialistischer Realismus eine Chance hat. Grützke, der Joschka F. unter Deutschlands Malerschaft, trug zu der strahlendweißen und 68er-glattgebügelten Leinenhose übrigens schwarz-rot-golden besprenkelte Arbeitsturnschuhe.

Apropos schwarz-rot. Eigentlich hatten sich an der FU ja alle gefreut. Heckelmann geht in die Politik. Nun aber wirkt sich der Machtwechsel auch andersherum aus. Die rot- grünen HeldInnen kehren mit heftigem Tatendrang zurück in den Elfenbeinturm. Die SozialdemokratInnen Dieter Schröder, einst Chef der Senatslkanzlei, und Chef-Entstalinisiererin Barbara Riedmüller-Seel (früher Wissenschaftssenatorin) nehmen ihre Lehr- und Forschungsgeschäfte am Otto-Suhr- Institut (OSI) für politische Wissenschaft wieder auf. Schröder wird bald vermitteln dürfen, wie man eine Koalition zu Tode verwaltet, Riedmüller-Seel kehrt zum feministischen Ursprung zurück, der nach taz-Informationen in einem Allgäuer Mädchenpensionat liegen soll. Mit der Frauensolidarität ist es bei ihr allerdings nicht sehr weit her: Riedmüllers Vertreterin, eine Gastprofessorin aus Wien, erfuhr nur durch einen schnöden Zettel an der Bürotür, daß es mit ihrer Tätigkeit am Institut bald vorbei ist.

Auch Heckelmann-Skandal-Kollege, FU-Sprecher Johannes Schlootz, soll am OSI ver- und entsorgt werden. Schlootz, der jahrelang eisern für seinen Herrn schwieg, wird allerdings nicht auf die StudentInnen losgelassen, er bekommt eine Verwaltungsstelle.

Am Kabinettstisch im Rathaus mühen sich die Herren und Damen Senatoren um schwarz-rote Streitkultur. Doch da die Neu-SenatorInnen im Exekutiv-Clinch ohne ihre SprecherInnen auskommen müssen, herrscht recht oft waldiges Schweigen. Neben dem Regierenden Diepgen sollen angeblich nur die Amts- Sozis Nagel, Meisner, Stahmer und Limbach mal Worte verlieren. Bei den Christen wagen sich nur Öffentlichkeits-Profi Radunski und Kulturaltlast Hassemer ein wenig vor. Pieroth spricht nur, wenn er gefragt wird.

Johnny (Weiss-)Müller-Gazurek, juristischer Saprgel-Tarzan und Kandidat für einen Posten im neuen Verfassungsgericht, redet am liebsten über die alten Straßenkämpfertage am Tegeler Weg. Fragt sich, ob seine zukünftigen Kollegen solch zersetzenden Small talk in der Mittagspause zulassen werden.

Showmaster Max Schautzer trauerte im Traditionsrestaurant »Diener« in der Grolmannstraße quasi öffentlich über seinen zurückweichenden Haaransatz, der uns so aus dem TV nicht bekannt ist. Gegen den Frust nahm er erhebliche Mengen an Sekt zu sich. Er wurde allerdings nicht redselig genug, um sich mit der lokalen Sangesgröße Ulla Meinicke unterhalten zu können. Beide schwiegen sich eisig an. Auch über die inzwischen sprichwörtliche demokratisch-dosierte Unfreundlichkeit des Kellners gerieten sie nicht ins Gespräch. Marianne

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