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This Shrinking Feeling und PNATSH

■ Rotzfreches Stolpern und Stampfen

PNATSH und This Shrinking Feeling machen nochmal ernst mit dem, was als Loch in der Erinnerung postpunkend zwischen '82 und '85 auf Plattentellern und Bühnenbrettern ähnlich geklungen haben soll. Nicht schlaff und anachronistisch, sondern zielstrebig und siegesgewiß spielen sie schnelle Holpernummern, singen ab und zu im Tonfall nöliger Hysterie und lassen sich immer wieder eine beatnikkende Melodie dazu einfallen.

This Shrinking Feeling bevorzugen die Linie der verschroben denkenden Engländer aus dem Norden. Ohne ortsgebundene Schwerindustriearbeit (Gitarre im Grebo- oder Heavy Metal-Anschlag), dafür in stiller Übereinkunft mit Legenden wie Yeah Yeah No, deren Sänger irgendwann wieder Briefträger wurde, also Musiker aus Passion — sammeln, horten und genießen. Manchmal sind sie dabei düster und melancholisch oder schneidend kalt. Dann lösen sich die Regenwolken in charmanten Melodiefolgen wieder auf, dazwischen wird ungestümer Dialekt wie von den Microdisneys gestreut.

Im Song »Solipsie« läßt sich der Sänger auf ein philosophisches Gespräch mit der gleichnamigen Tugend/Schwäche ein, um dabei zu lernen, daß man drinnen im Egokerker stumpf dahinstirbt. Das bleibt länger im Ohr haften als die triefenden Ergüsse eines Philip Boa oder Bernd Begemann, vielleicht wird es sogar ein ebenso großer Hit.

PNATSH steht für »Paice, Nic and the stringkilling Homosexual«, womit eigentlich nur der saitenzerrende Sänger Hilde Krautschneider gemeint sein kann. Sie lieben es wilder. Mit Kinderliedmelodien und Fuzz-Gitarren, etwas Psychedelia und einem Rhythmusgefüge aus Stolpern und Stampfen.

Da fiel vorher der Name Microdisney, und hier sind wohl eher die Three Johns als Ziehväter tätig geworden, würde nicht noch ein kurzweiliger Nachschlag geboten: Flamencointro, spanischer Anarchopunk, und dann ganz plötzlich sauber eingetimte funkende Drums mit leicht hingeworfener Police- Freundlichkeit der frühen Tage. Von Vielfalt gebeutelt wurde schon manches PNATCH- Konzert im letzten Jahr zum Vier-Stunden- Marathon mit acht und noch einer Zugabe, womöglich einem Punk-Rap, Prädikat: rotzfrech. Harald Fricke

Um 22 Uhr im K.O.B.

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