: Gewaltausbruch in Dresden
Jugoslawische Fußballfans wurden mit Steinen beworfen/ Über tausend Sicherheitsbeamte im Einsatz/ Verstärkung durch Bundesgrenzschützer ■ Aus Dresden Hagen Boßdorf
Nach schweren Krawallen bei dem Europacup-Spiel zwischen dem FC Dynamo Dresden und Roter Stern Belgrad wurde am Mittwoch abend das Fußballspiel abgebrochen. Die Katastrophe hatte schon am Morgen begonnen: Auf dem Dresdner Hauptbahnhof warteten Hools und Skinheads bei jedem Zug auf ankommende Kameraden. Dann zogen sie in kleineren Gruppen durch die Stadt. An der Elbterrasse bewarfen sich etwa 150 deutsche Randalierer und 300 jugoslawische Fans mit Steinen. Ankommende Belgrader Busse wurden angegriffen, Imbißbuden verwüstet, ausländerfeindliche Losungen gebrüllt.
Im Stadion selbst kam es zunächst zu keinen größeren Konflikten, da die Polizei beide Fanblöcke getrennt hatte. In der Halbzeitpause eskalierte die Gewalt. Eine Würstchenbude wurde umgerissen, Beamte mit Feuerwerkskörpern beworfen, Sturmangriffe gegen die Polizeikette vorgetäuscht. Doch auch bei Wiederanpfiff versuchte es die Einsatzleitung noch mit Zurückhaltung.
In der zweiten Spielhälfte gelang es den deutschen Hooligans, aus den Treppen des Stadions Steine herauszulösen, die sie auf das Spielfeld schleuderten. Der spanische Schiedsrichter Aladren unterbrach die Partie und drohte mit Spielabbruch. Dresdner Spieler, Trainer Reinhard Häfner und Vertreter des Vorstands versuchten, den Mob zu beruhigen. Aber selbst sie wurden mit einem Steinhagel empfangen, Geschäftsführer Kluge am Kopf verletzt. Daraufhin beendete der Referee das Spiel. Erst jetzt trieb die Polizei mit Wasserwerfern und Gummiknüppeln die Rowdies aus dem Stadion. Beim ungeordneten Abzug wurden Autos beschädigt, bis in die späte Nacht Schaufenster in der Stadt demoliert. Die Bilanz: vier verletzte Polizisten, 26 vorläufige Festnahmen, ein inhaftierter Jugoslawe, der mit einer Eisenstange auf einen Polizisten losging, und Sachschaden in nicht überschaubarer Höhe.
Die Polizei war durch Krawalle am vergangenen Wochenende auf Gewalt gefaßt gewesen. „Die Sicherheitsvorkehrungen in Dresden werden nicht verändert“, hatten Verantwortliche nach den zurückliegenden Auseinandersetzungen erklärt. Aber schon im Laufe der Woche waren die Beamten ins Grübeln gekommen: Fanclubs des 1.FC Dynamo Dresden hatten den Vorstand des Vereins am Montag darüber informiert, daß sich Dresdner Hooligans mit Hilferufen an ihre deutschen Raufbrüder gewandt hatten, um die ostdeutsche Szene zum Gegenschlag gegen die Jugoslawen zu aktivieren: „Kein Jugo-Schwein soll unser Dresden lebend verlassen“, stand in der Einladung. Der Aufruf war eine Reaktion auf die Vorfälle in Belgrad vor zwei Wochen, als der Dresdner Fanblock von Polizisten in zwei Minuten aus dem Stadion getrieben wurde, weil er Schlägereien anzetteln wollte. Diese Niederlage sollte in Dresden gerächt werden.
Dynamo wandte sich an das Bonner Innenministerium und erhielt die Unterstützung von zwei Hundertschaften des bayerischen Bundesgrenzschutzes. Insgesamt kamen im Stadion 1.200 Sicherheitsbeamte und 200 Ordner des Vereins zum Einsatz. Dem Dresdner Fußballklub drohen nun drastische Strafen: neben finanziellen auch eine Sperre für weitere Europacup-Wettbewerbe. Eine Verweigerung der Bundesliga- Lizenz wegen fehlender Sicherheitsgarantien wird erwogen. Ein Verein wird Opfer seiner Anhänger.
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