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Kommt, kreative Kaffeeimporteure!

■ Wohin, Design? Nach Bremen? Volker Plagemann, erst brem-, jetzt hamburgischer Kulturbehördenleiter, zur Bremer Design-Offensive

Volker Plagemann, Kunstwissenschaftler, Design-Experte und von 1973-79 Leiter der Bremer Kulturbehörde, ist seit 1980 Senatsdirektor der Hamburger Kulturbehörde, dabei immer noch überzeugter Wohnbremer.

taz: Es gibt seit einiger Zeit im Hause des Wirtschaftssenators die allmähliche Konkretisierung des Wunsches, aus Bremen eine Stadt des Designs zu machen — mit entsprechendem Design-Zentrum. Fällt Ihnen zu Bremen und Design was ein?

V.P.: Mir fällt in erster Linie ein, daß hier eigentlich gerade die Form von Wirtschaft wenig aufgetreten ist, die das Design in sehr umfassendem Sinne verkörpert, also Architektur, Mode, Werbung, Neue Küche usw.; mir fällt ein, daß es hier eine entsprechende Schule gibt — aber mir würde nicht einfallen, daß sich ein jugendliches, kreatives, innovatives Personal im gesamten Bereich von angewandter Kunst nach Bremen hingezogen fühlt.

Ließe sich der Sog steigern?

Den wird man nur dadurch steigern können, daß man dieses Personal und die Wirtschaft, die damit was zu tun hat, hier anreichert. Und das soll wohl über solche Design-Zentren praktiziert werden — der berühmte Technologie-Transfer, der bewirkt, daß etwa junge UnternehmerInnen im Ostertor ein neues Schönheitsinstitut aufmachen, mit Kosmetika ohne Tierversuche oder sowas. Oder daß hier eine Gastronomie entsteht, die neues Food-Desgin praktiziert — alles das ist in Ansätzen ja da.

Wir reden jetzt schon von Design, als wär's das normalste von der Welt. Wenn da nicht dieses zeitgeistige Schickimickertum wäre!

Der unangenehme Unterton kommt von diesem starken Design-Bedarf der Lifestyle-Szene und ihrer super gestylten Campari-Bar — Design ist aber nichts anderes als die über den praktischen Nutzen eines Gegenstandes hinausgehende Gestaltung desselben, und dieses auch immer mit dem Ziel, seine Verkaufbarkeit zu steigern.

Sie saßen neulich in einer Podiumsdiskussion zum Thema „Wieviel Design braucht Bremen?“ Wieviel braucht's denn?

Ich hab' da verschiedene Schreckensszenarien entworfen, um immer zu sagen: Es darf nicht heißen, daß nun staatlich alles einheitlich verschönert wird! Sondern daß diese Dinge auch etwas mit individueller Entscheidung zu tun haben und nicht mit einer riesigen Designbürokratie, die alles schick macht. Ich denke, daß durch eine Vermittlung einerseits von Wirtschaftsleuten, die irgendwelche Produkte in der Dienstleistungsindustrie hervorbringen, und andererseits den DesignerInnen selber etwas passiert — daß man dieses anregen kann. Nicht aber womöglich, daß man einen staatlichen Auftragsmarkt entwickelt.

Was soll der Designbeauftragte des Wirtschaftssenators da machen?

Der will sowas ja machen. Dessen Intention ist diese große „Internationale Design Triennale“, wozu er Firmen einlädt, sich selber darzustellen. Er will Firmen dadurch auratisieren, also staatlich anerkennen, daß sie sich in ihrer Produktion gegenüber anderen hervorheben. Der Staat wird also eine Art Belobiger, um die Vorbilder zu Vorbildern zu erheben.

Könnte Design das Zauberwort sein, unter dem sich eines Tages lauter Kreativlinger treffen und zusammen brodeln?

Das glaub' ich nicht. Der Begriff wird bald verbraucht sein, es wird sich eine neue Vokabel bilden. In Hamburg etwa haben sich Leute aus verschiedenen Design-Bereichen zusammengefunden, die nennen sich Arbeitsgemeinschaft für angewandte Kunst. Die haben z.B. einen Jungunternehmer gefunden, der ihnen 1. ein Büro finanziert und 2. in seinem Unternehmensgebäude einen riesigen Ausstellungsraum zur Verfügung stellt. Und da richten die nun alle paar Monate eine neue Ausstellung ein mit jungen Vertretern der angewandten Kunst, wo Jungdesigner und Unternehmerkunden zusammentreffen.

Da haben wir doch aber schon den Salat. Wo gibt es denn solche Unternehmer in Bremen? Mir scheint, Ihr „kreatives, innovatives Personal“ sollte erstmal auf der Wirtschaftsebene herangezogen werden!

Das ist exakt die bremische Schwierigkeit. Aber Sie haben eines noch nicht im Blick: Gehen sie mal den oberen Ostertorsteinweg entlang: Da gibt's fünf neue Frisöre! Und einer designed seine Sachen progressiver als der andere! Die alten hanseatischen Kaffeeimporteure sind dagegen ja nicht besonders innovationsfreudig. Es muß also die innovationsorientierte, neue Wirtschaftsidee sein. Und die gibt's in erster Linie im Dienstleistungsbereich. Solange sich das bremische Bürgertum, was sich sowas leisten kann, aber konservativ anzieht, sind natürlich auch Modedesignerinnen wenn denn nicht brotlos, aber doch in Schwierigkeiten.

Die bessere Dame der Stadt hat also eine große Verantwortung dem kulturellen und kreativen Durchdringen gegenüber.

Ich meine natürlich das Bürgertum, das dadurch definiert wird, daß es Abitur hat, regelmäßig Geld verdient und eines Tages keine Schwierigkeiten damit hat, ein besser gestyltes Auto, eine ebensolche Wohnung zu haben und zu Theaterpremieren zu gehen.

Ist denn seit „Ihrer“ damaligen Zeit der klassische Bremer Kultur-Bürger irgendwohin fortgeschritten?

In dieser Stadt ist das Bürgertum bis heute sehr konservativ geblieben und nur langsam davon zu überzeugen, daß eine Stadt eine Universität, eine intellektuelle Jugendlichkeit, eine kreative Szene in der Wirtschaft wie in der Kultur braucht. Die Folge ist, daß die bremische Kultur ziemlich eindimensional geblieben ist. Das Bürgertum akzeptiert vielleicht grade noch sein Theater, seine Kunsthalle. Die Worpsweder Geschichte ist ja auch nicht unbedingt eine Geschichte der Fortschrittlichkeit! Roselius ist eine tolle Ausnahme. Gerade er signalisiert, daß — wenn denn mal ein Unternehmer innovativ ist und vom Kaffee das Koffein wegnimmt, damit Geschäfte macht und im übrigen noch Leute wie Hoettger fördert — daß ihm dann in Bremen große Karrieremöglichkeiten offenstehen. Fragen: claks

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