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Flüchtlinge: Hessen hilft Thüringen

Die hessische Ministerin Iris Blaul besuchte das Zentrale Aufnahmelager für Flüchtlinge in Thüringen  ■ Von Klaus-Peter Klingelschmitt

Wiesbaden (taz) — Mehr als hundert AsylbewerberInnen, die geschlagen und gedemütigt aus Lagern vor allem in Sachsen aber auch in Thüringen zurück nach Hessen geflohen waren, wurden in den letzten drei Monaten alleine von den MitarbeiterInnen des Amtes für Multikulturelle Angelegenheiten in Frankfurt betreut — „und wöchentlich kommen rund dreißig neue Rückflüchtlinge dazu“, so die hessische Ministerin für Jugend, Familie und Gesundheit, Iris Blaul. In der Mainmetropole kümmern sich auch freie Flüchtlingshilfegruppen um die AsylbewerberInnen, die von der hessischen Gemeinschftsunterkunft (HGU) in Schwalbach im Main-Taunus-Kreis abgewiesen wurden.

Daß Ministerin Blaul (Die Grünen) am vergangenen Wochenende im Rahmen ihrer ersten Dienstreise die Zentrale Aufnahmestelle für Flüchtlinge des neuen Bundeslandes Thüringen in Tambach-Dietharz besuchte, ist ein Beleg dafür, wie ernst die rot-grüne Landesregierung das Problem der „Rückflüchtlinge“ aus den östlichen Bundesländern nimmt. Auf einer Pressekonferenz im hessischen Landtag legte Frau Blaul gestern Wert auf die Feststellung, daß die Verteilung von AsylbewerberInnen auf die Bundesländer Sache des Bundes sei. Die neuen Bundesländer haben seit Januar 20 Prozent der AsylbewerberInnen aufzunehmen. Doch diese, im Zuge der deutschen Einheit selbstverständliche Quotierung habe die Administration in den neuen Ländern überrascht und „völlig überfordert“, wie Blaul nach einem Gespräch mit ihrem thüringischen Amtskollegen Hans-Hennig Axthelm konstatieren mußte. Die eingerichteten Aufnahmelager in den Landkreisen und auch die Zentrale Aufnahmestelle in Tambach- Dietharz entsprächen zwar „mit Abstrichen“ westdeutschem Standart, doch mangele es an der fachgerechten Betreuung der Flüchtlinge. Blaul: „Das fängt bei den Sprachproblemen an und hört bei der fehlenden Rechtsberatung und dem mangelnden Einfühlungsvermögen der ungeschulten MitarbeiterInnen in die sensible psychologische Struktur der Flüchtlinge auf.“

Daß es auch in Thüringen zu Angriffen auf AsylbewerberInnen gekommen ist, ist für Blaul dennoch kein Indiz dafür, daß die Gesellschaft in den fünf neuen Ländern „per se ausländerfeindlich“ sei. Auch in den alten Bundesländern sei es wiederholt zu Übergriffen auf Flüchtlinge gekommen — „und wenn irgendwo in Hessen AsylbewerberInnen untergebracht werden sollen, gibt es in der Regel Akzeptanzprobleme“ (Blaul). Daß es in den neuen Ländern vermehrt zu Gewalttätigkeiten gegen AusländerInnen komme, liege an den sozialen Verhältnissen. Blaul: „Die ausländerfeindlichen Aktionen vor allem Jugendlicher sind ein Ventil für den aufgestauten Frust.“ Ein Verteilungsstop für die fünf neuen Ländern, wie ihn Flüchtlingshilfegruppen im Westen fordern, sei deshalb auch keine Lösung. Die Gesellschaft in Ostdeutschland müsse sich „öffnen“ — „und das geht nur praktisch und nicht theoretisch“ (Blaul). Mit „gezielter Öffentlichkeitsarbeit“ soll jetzt die Sensibilität der Bevölkerung für Flüchtlinge und für deren Lebenssituation erhöht werden. Und genau dafür hat Blaul ihrem Kollegen Axthelm Unterstützung angeboten. Erfahrene hessische Verwaltungsbeamte werden demnächst dafür sorgen, daß die Betreuung der Flüchtlinge in den Lagern systematisch verbessert wird. Das hessische Ministerium will für einen „verstärkten Gedankenaustausch“ von Flüchtlingsinitiativen in Hessen und Thüringen werben und Hilfestellung bei der Zusammenarbeit von freien Organisationen und staatlichen Stellen leisten. Das „ganze Umfeld“ müsse systematisch im Sinne einer erhöhten Akzeptanz von Flüchtlingen in den neuen Ländern verändert werden. Und dafür will Blaul auch tief in den „Hessen-Thüringen- Topf“ der Landesregierung greifen.

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