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Rundumschlag-betr.: "Der Guerillero als europäische Kultfigur", taz vom 21.5.91

betr.: „Der Guerillero als europäische Kultfigur“, taz vom 21.5.91

[...] Bei seinem Rundumschlag gegen die Guerilleros(as) differenziert Hans Christoph Buch noch nicht einmal ansatzweise zwischen den verschiedenen Guerillabewegungen, was zu Vergleichen führt, die in Springers Presse passen, jedoch nichts mit der Realität zu tun hat. Ich frage mich wirklich, wie die SandinistInnen mit den Roten Khmer in einen Topf geworfen werden können.

Meine Frau ist Mitglied der FSLN (Sandinistische Front zur nationalen Befreiung Nicaraguas) und ist — gelinde gesagt — entsetzt über diesen reaktionären Journalismus. [...] Stefan Borst, Göttingen

Nach einer guten Einleitung war dieses Kurzessay ein Eigentor. „Den Guerillero“ in Lateinamerika gibt es nicht. Aus geschichtlichen, nationalen und ideologischen Gründen unterscheiden sich die „Freiheitsbewegungen“ Perus, Nicaraguas, Kolumbiens und El Salvadors. Wenn Sie jetzt das Ende der lateinamerikanischen Guerilla vorhersagen und das auf die Demokratisierung im europäischen Osten, die jetzt auch Lateinamerika erfaßt, zurückführen, ist das im Prinzip eine Fortsetzung der Denkweise, „die Guerilla“ habe ihre Unterstützer in Moskau gehabt und sei nur dadurch lebensfähig. Außerdem frage ich mich: Demokratisierung, wo? Machtpositionen sind weiter klar verteilt, Militär und Todesschwadrone schalten nach wie vor alle die aus, die in das politische Konzept nicht passen.

[...] „In Nicaragua wurden die Mesquito-Indianer pauschal zu Contras erklärt.“ Diesen Fehler haben die Sandinisten (wenn auch spät) eingesehen und politisch büßen müssen.

„Die Opfer der lateinamerikanischen Guerilla sind nicht die Angehörigen der weißen Oberschicht (müßten die es denn sein?), sondern arme Indios, Soldaten, die sich nicht vom Dienst freikaufen konnten...“ Natürlich lassen die Herrschenden andere für sich sterben. Wenn das alle Beteiligten so sehen würden, wäre mancher Krieg schon zu Ende. Die salvadorianische Guerrilla übergibt seit Jahren die gefangenen Soldaten dem Roten Kreuz (wenn es durchführbar ist), nachdem sie mit ihnen diskutiert und die Situation des Krieges aus ihrer Sicht dargestellt haben.

„Die linken Guerilleros foltern und morden wie die Todesschwadrone.“ Diese zweideutige Pauschalbehauptung diffamiert Tausende politischer Gefangener, die in den Händen der Folterknechte, hinter Stadiontüren und Gefängnismauern ihr Leben gelassen haben. Deren Mörder gleichzusetzen mit „linken“ Guerilleros, schmerzt bei all denen, die Jahre der Entbehrung, Schmerz, Trauer etc. auf sich genommen haben um für soziale Gerechtigkeit und Frieden zu kämpfen. (Auch in diesem Zusammenhang verbietet es sich aus geografischen und inhaltlichen Gründen, die „Roten Khmer“ als Beweis von Massakern durch lateinamerikanische Guerilleros aufzuführen.)

„Die Klügsten haben die Waffen abgegeben...“ ...und die Dummen kämpfen weiter?

Je länger der Artikel, um so pauschaler die Aburteilung und das „unbewußt“ rübergebrachte Bild des ohne Hintergrund Handelnden, aus Lust am Töten wirkenden, rücksichtslosen zur Korruption gezwungenen lateinamerikanischen Macho. [...] Karl-Hans Kern, Mannheim

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