: Hobby-Filmer an der Front
■ „Mein Krieg“, 22.15 Uhr, Hessen3
Es war die Freude, die man immer hat, wenn man eine Reise tut.“ So kommentiert ein Amateurfilmer im fortgeschrittenen Pensionsalter Bilder, die er vor 50 Jahren aufnahm. Doch was in seinen Worten klingt, als habe es sich damals um eine nette Landpartie gehandelt, war nichts anderes als der Überfall der deutschen Wehrmacht auf die Sowjetunion im Sommer 1941. Und doch wirft diese Äußerung ein Licht auf die Motive, die einige Soldaten damals veranlaßten, ihre Kamera mit in den Krieg zu nehmen: eine Mischung aus Abenteuerlust und der Erwartung, bei großen Ereignissen dabeizusein. Heute liefern ihre Bilder so etwas wie eine „private“ Sicht des Krieges.
Sie filmten den blauen Himmel über russischen Sonnenblumenfeldern, ein Bad im Schwarzen Meer oder den Besuch der Eltern im Feldlazarett. Daß es sich um ein grundsätzlich anderes Bild des Krieges, als es die medienbewußten Nazis in ihren Wochenschauen zeichneten, handelt, wäre jedoch zuviel gesagt. Denn häufig reproduzieren diese „privaten“ Aufnahmen auch nur die stereotypen Klischees der offiziellen Propaganda: vorrückende Kolonnen, Gesichter von entschlossenen Landsern, der Jubel über den Abschuß eines feindlichen Flugzeuges.
Hingesehen, wo die offiziellen „Kamera-Soldaten“ der Nazis wegsahen, haben die Hobby-Filmer nur selten. Bilder von verwundeten und toten „Kameraden“, der chaotische Rückzug oder in den Tod getriebene russische Kriegsgefangene bleiben die Ausnahme. Und deshalb liegt die Qualität der Dokumentation von Harriet Eder und Thomas Rufus auch gar nicht so sehr in den Kriegsbildern, sondern im wirkungsvollen Konzept, diese nicht selbst zu analysieren, sondern von den Soldaten und Hobby-Filmern von damals kommentieren zu lassen.
„Man ist gleich wieder drin in der damaligen Zeit“, sagt einer von ihnen. Und wie sie da in ihren gutbürgerlichen Wohnzimmern sitzen und von „damals“ erzählen, scheint es in der Tat, als hätten ihnen ihre Kriegserfahrungen während der vergangenen 50 Jahre auch kaum Kopfzerbrechen bereitet. Nicht ohne Stolz und mit bisweilen schier unglaublicher (und darum so erhellender) Naivität und Borniertheit kommentieren sie ihre Aufnahmen. Nur bei wenigen Szenen, wie etwa dem Bild eines abgeschossenen russischen Piloten, gerät ihr Redefluß ins Stocken, werden ihre Augen unruhig oder sie beginnen, nervös an ihrer Brille herumzunesteln.
(Anläßlich des 50. Jahrestages des Überfalls auf die Sowjetunion wird die inzwischen mehrfach preisgekrönte Dokumentation auch in den anderen 3.Programmen der ARD und im DFF ausgestrahlt: BR 20.6., WDR und DFF: 21.6., NDR/ SFB/RB: 22.6., SWF: 24.6.) Reinhard Lüke
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen