: Stadtteilfarm — Jetzt oder nie!
■ Überraschungscoup in Huchting: Jugendhaus, Reitplatz und und und
“Jetzt oder nie!“ prangt in grellbunten Riesenlettern auf dem Truck. Als er vorgestern anrückte, gab es neben dem Sodenmatt See nur viel freies Feld und ein Luftschloß der Kinder aus Huchting. Niemand ahnte, was sich hinter dem Spruch verbarg (der Titel einer neuen Show) und welch wohltätige Welle der Truck auslösen würde: Heute Mittag, keine 72 Stunden später, wird am Sodenmatt See eine komplette Stadtteilfarm stehen. Ein Abenteuerspielplatz, ein Reitplatz, eine Scheune, ein Haus mit Küche und Cafeteria, sowie Pferde auf der Weide, Schafe, Hühner und Stockenten. Heute Mittag um zwölf lassen die Handwerker den Hammer fallen. Dann haben sie 72 Stunden Streß hinter sich, die Kameras ihre Show im Kasten und die Jugendfarm wird gefeiert. Seit drei Jahren kämpfte der Verein „Stadtteilfarm e.V.“ mit den Kindern um die Realisierung eines solchen Projektes in dem sozial belasteten Stadtteil. Als sie die Hoffnung schon langsam aufgaben, erschien das Fernsehen als rettender Engel: Eine neue Aktiv- Show des Bayerischen Rundfunks, die sich (“mit Aktion und Emotion“) in die Sozialpolitik einmischt. Mit zunächst sieben Sendungen schiebt sie vor laufenden Kameras in atemberaubendem Tempo und mit imensem Organisationsaufwand sieben Projekte an, die ohne ihre Mithilfe auf Amtswegen steckenblieben: eine Fähre über den Rhein, ein Fußballplatz für ein Kinderheim in Bayern und (als bisher größtes Projekt) eine Stadtteilfarm für Huchting. Ab Januar werden die Shows gesendet. Ihre Stars sind Handwerker, Zuschauer und Sponsoren, die natürlich im Abspann namentlich genannt werden. Unterhaltsames Zugpferd des Spektakels ist Moderator Ingo Dobinski (sonst bei „Elf 99“ und in „Supergrips“).
Er tritt als großer Organisator auf, motiviert Firmen zu werbewirksamen Spenden und Aktionen. Nur die fundamentalsten Dinge werden vorab von den Profis ausgehandelt: Die langfristige Absicherung des Projektes (hier durch Stellenzusagen und Haushaltstitel beim Bildungsenator), die baurechtliche Genehmigung, die planerische Realisierung. Alles andere wird improvisiert.
Mehr als eine halbe Million Mark, so schätzt StadtteilfarmArchitekt Eduard Wandel, sind Bremen so gratis auf die Grüne Wiese gesetzt worden. Die Kinder sind happy. Die 13jährige Ivonne stolziert schon in Reitstiefeln über den Platz: „Wenn erst die Pferde da sind.“ Diverse Sponsoren rücken sich und ihre Produkte ins rechte Licht — einfach zu erkennen, weil sie als einzige mit Händen in den Taschen durch die Hektik schlendern. Und die Feuerwehr rückt mit Tatütata an zum Blumen gießen. Fortsetzung folgt. ra
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