: „Wollt Ihr, daß sie die letzten Bäume fällen?“
■ Internationaler Workshop kritisierte den Bremer Holzkohlevergaser als Mittel der dezentralen Stromerzeugung
Diskussion um angepaßte Stromerzeugungs-TechnologieFoto: Beate Ramm
„Ich muß hier einfach mal etwas loswerden“, begann Bob Reines aus New Mexico / USA seine engagierte Kritik am Ende des internationalen Workshops, zu dem das Forschungslabor für Energie und Umweltsysteme (FLEUS) der Bremer Universität in der letzten Woche rund 30 Wissenschaflter aus aller Welt ins Hotel Ibis eingeladen hatte, „Sie sind viel zu optimistisch, das alles ist ein Traum, und wenn die noch herrschenden technischen Probleme nicht gelöst werden, hat das Bundesministerium (sein früherer Arbeitgeber) sein Geld zum Fenster herausgeschmissen. Oder wollen Sie Technik in die Dritte Welt exportieren, die Sie selbst nicht haben wollen? Unsere jetzige Technik ist nicht genügend erprobt und nicht wirtschaftlich, und die Konsumenten werden die Kosten tragen. Wollt Ihr, daß sie die letzten Bäume fällen, nur weil die Regierungen den Armen den Treibstoff vorenthalten?“
Auch Kollege Professor Stassen aus Holland ereifert sich: „Wir reden hier seit Tagen, aber ich habe nichts Neues gehört.“ Das klingt hart. Alexander Wittkowsky, wissenschaftlicher und organisatorischer Leiter der Arbeitsgruppe FLEUS, gibt den Kritikern recht darin, daß weitere Grundlagenforschung nötig wäre. Daß hier nichts absolut Neues erfunden worden sei, könne aber nicht Gegenstand eines Vorwurfs sein. Nach drei Jahren Forschungsarbeit gibt es bei den Bremern Holz
hier bitte das Foto
mit den beiden Männern
vor dem technischen Gerät
kohlevergaser, die auf relativ unkomplizierte Weise funktionieren und überall nachgebaut werden können.
Offenkundig sind unterschiedliche Prioritäten der Anlaß für unterschiedliche Meinungen. Geht es dem einen ums Funktionieren, geht es dem anderen um die Umweltverträglichkeit, dem nächsten um die Wirtschaftlichkeit und dem übernächsten um die Vermittlung des Know-How und soziale Gesichtspunkte. Wilfried Richter, wissenschaftlicher Mitarbeiter im Projekt: „Neu ist zum Beispiel, daß wir das Know-How nach Argentinien getragen haben, daß es dort Leute gibt, die unsere Vergaser wollen, daß dort ein erster Schritt zu ein bißchen mehr Wohlstand getan ist. Und wenn kein kommerzielles Interesse daran besteht, müssen erst recht die Universitäten mit öffentlichen Geldern daran arbeiten!“
Daß die praktischen Versuche erfolgreich sind, bestreitet sogleich der holländische Kollege: „Keiner traut sich, offen zu sagen, daß man ein Ingenieur sein muß, um diese Dinger zu bedienen!“
Auch der Kollege, der aus Malaysia zum Workshop angereist ist, sieht die Schwierigkeiten bei der Verbreitung des segensreichen Gerätes in der Vermittlung des Know-How: „So lange es kein fertiges Package gibt, das Ihr anbietet, das die Leute in die Lage versetzt das Gerät nicht nur zu kaufen, sondern auch zu bedienen, und ihr sagt, ja, das kann man so machen, aber auch anders...“
Da hat der Kollege aus Thailand wiederum ganz andere Erfahrungen gemacht: 2 1/2 Jahre habe er mit Reiners an diesen Projekten gearbeitet. Die Leute in seiner Heimat wenden die Holzkohlevergaser erfolgreich an.
Doug Williams aus Neuseeland, der für seine Firma FLUIDYNE seit vielen Jahren an der Entwicklung und Vermarktung der Vergaser arbeitet und eng mit den Bremern zusammenarbeit, ist gerade von einer erfolgreichen Reise nach Uruguay zurückgekehrt und berichtet: „Das Energieministerium in Uruguay ist begeistert von der Technologie, weil es in Uruguay 700 Schulen ohne Elektrizität gibt. Und es gibt natürlich Industrie, die Dieselgeneratoren verwendet. Dabei hätten sie genug Holz dort. Sie sind außerdem begeistert davon, weil sie die Technologie auch nach Argentinien, Paraguay, Brasilien exportieren können, weil die ganze Region keine elektrische Energie hat.“
Doug Williams Firma habe die Holzkohlevergaser schon in Südafrika, Mozambique, Fidji, Malaysia, Uruguay, Nordamerika, Papua-Neuguinea und Indonesien erfolgreich zur Anwendung gebracht. Williams reist in der Welt herum und leistet Überzeugungsarbeit bei Regierungen und anderen potentiellen Geldgebern.
Sein Argument: So lange die Leute ihr ganzes Geld für Dieseltreibstoff ausgeben müssen, blieben sie arm: „Wenn du Gasbrenner installierst, schaffst du Jobs, ein bißchen Wohlstand und das Geld bleibt im Dorf und fließt nicht an die ausländischen Ölgesellschaften!“
Am guten Willen weiterzumachen, mangelt es den Bremer Uni-Forschern nicht. Aber das dreijährige Projekt, gefördert vom Bundesministerium für Forschung und Technologie läuft aus und um entsprechende Mittel der EG gibt es harte Konkurrenz. Und wenn es kein Geld mehr gibt, können die Leute von FEUS ihr eigentliches Ziel, nämlich die Entwicklung eines umweltfreundlichen Vergasers, der nicht mehr mit Holzkohle, sondern mit landwirtschaftlichen Abfällen arbeitet, dann doch nicht mehr realisieren.
bear
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen