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KOMMENTAREHerausforderung fürs juste milieu

■ Mit Hans-Ulrich Klose betritt ein Querdenker das SPD-Parkett

Schwach und konzeptionslos dümpelt die Bonner Regierung vor sich hin, dennoch steht sie unangefochten da. Ihre scheinbare Stärke verdankt sie den übermächtigen deutschen und europäischen Sachzwängen und — der Schwäche der Opposition. Die Sozialdemokraten sind für sich genommen so erfolglos nicht, aber ihre Politik ist nicht wirklich real, eher ein gnägelig-zögerndes Nachtraben hinter den „großen Notwendigkeiten der Zeit“. Die roten Zahlen, die Milliardenlöcher, der heilsame Zwang, den Reichtum jenseits einer traditionellen — immanent sozialen — Gerechtigkeitsvorstellung national und international umzuverteilen, haben die Sozialdemokraten kalt erwischt. Die Idee weltweiter Gerechtigkeit wurde am Wochenende nicht von führenden Sozialdemokraten formuliert, sondern von den Delegierten auf dem Deutschlandtag der Jungen Union und der ersten gesamtdeutschen EKD-Synode. Das introvertiert-reformerische Kindheitsmuster der Sozialdemokratie ist perdu.

Insofern sind Personaldebatten auch Debatten um politische Konzepte. Und insofern ist es auch sympathisch, wenn sich ein weiterer Kandidat um die Vogel-Nachfolge beworben hat. Die Kampfkandidaten Däubler-Gmelin und Dreßler stehen einerseits für das alte Links-Rechts-Schema der Sozialdemokratie, andererseits personifizieren beide auf ihre Weise die Unbeweglichkeit des Partei- Tankers. Sie garantieren eine hohl gewordene Politik, die die Beschlußlage und ihre formgerechte Abkündigung allemal der schnellen, tagespolitischen Einmischung vorzieht.

Beide Kandidaten sind auf ihren jeweiligen Flügeln als Parteisoldaten groß geworden, sie personifizieren die Mühen der Ochsentour. Beide stehen und standen gegen den Kanzlerkandidaten Oskar Lafontaine — ein Mann, der in ihrem jeweiligen juste milieu als unberechenbar, sprunghaft und risikobereit gilt.

Demgegenüber ist Hans-Ulrich Klose als möglicher Nachfolger im Fraktionsvorsitz immerhin eine Alternative: Als Staatsanwalt, Senkrechtstarter und Reserveoffizier fehlt dem ehemaligen Hamburger Ersten Bürgermeister auf höchst angenehme Weise der parteitypische Stallgeruch. Galt er in Hamburg zunächst als Mittler zwischen den Flügeln, wandelte er sich 1981 im Streit um das Atomkraftwerk Brokdorf zum erbitterten Gegner des damals von Helmut Schmidt repräsentierten regierungsamtlichen Atomkurses — Klose unterlag und trat zurück. Dem Senkrechtstart folgte der Absturz. Klose repräsentiert eine gebrochene Erfahrung, er hat sich die Fähigkeit zum eigenen, gelegentlich vorlauten Denken bewahrt, den Kanalarbeitern jeder Couleur ist der Mann ein Greuel — und eben deshalb könnte ein Erfolg seiner Kandidatur dazu beitragen, die sozialdemokratische Politik neu zu formulieren und die Regierung dort anzugreifen, wo sie wirklich verletzlich ist. Götz Aly

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