: Patt bei der polnischen Regierungsbildung
Walesa bevorzugt ein Duo von Ex-Premier Bielecki und Geremek/ Daneben laufen Verhandlungen um eine Mitte-Rechts-Koalition ■ Aus Warschau Klaus Bachmann
Bei den Versuchen von Präsident Walesa, eine mehrheitsfähige, reformorientierte Regierung zustande zu bringen, zeichnet sich ein Patt ab. Ein Treffen zwischen dem „liberal- demokratischen Kongreß“ Premier Bieleckis, dem „Verständigungszentrum“ des Walesa-Vertrauten Kaczynski und der „Demokratischen Union“ um den ehemaligen Premier Mazowiecki verlief praktisch ergebnislos.
Die drei aus der Solidarność hervorgegangenen Gruppierungen hätten knapp dreißig Prozent der Sejm-Stimmen auf sich vereinigt. Eine Übereinkunft zwischen ihnen galt von vornherein wegen Differenzen über die Wirtschaftspolitik, das Verhältnis zu den Ex-Kommunisten und über die Befugnisse der Präsidialgewalt als sehr schwierig. Jetzt gaben Gesprächspartner des Präsidenten zu erkennen, die Konfliktlinie verlaufe nicht mehr zwischen Walesa und der Demokratischen Union, sondern zwischen ihm und dem Verständigungszentrum. Diese Mitte- Rechts-Gruppierung war in den Wahlen bedingungslos für Walesa eingetreten.
Walesa hatte Ende vergangener Woche den stellvertretenden Vorsitzenden der Demokratischen Union, Bronislaw Geremek, mit der Regierungsbildung beauftragt. Geremek, Solidarność-Aktivist, weltbekannter Historiker und ehemals Vorsitzender der Solidarność-Parlamentsfraktion, übernahm den Auftrag, obwohl sich schon damals eine Mitte-Rechts- Koalition ohne die Union abzeichnete. Walesa habe ihm zu verstehen gegeben, daß er ihn, Geremek, auch offiziell dem Sejm vorschlagen werde, der nun für den 25.November einberufen werden soll, hatte der Professor erklärt. Zu diesem Zeitpunkt waren die Koalitionsverhandlungen zwischen der „Konföderation Unabhängiges Polen“, der „Christlich-Nationalen Vereinigung“, den Liberalen und der Zentrumsvereinigung allerdings bereits so weit fortgeschritten, daß diese vier Parteien sich auf einen gemeinsamen Kandidaten für das Amt des Premier geeinigt hatten: den Rechtsanwalt und Ex-Bürgerrechtler Jan Olszewski, der der Zentrumsvereinigung angehört.
Walesa, so wird in Warschau verbreitet, strebe entgegen seinen früheren Bundesgenossen aus dem Zentrum eine Regierung der Kontinuität an und habe deshalb das Duo Geremek/Bielecki als Premier und Vizepremier vorgeschlagen. Das wiederum möchte das Zentrum um jeden Preis vermeiden. Hauptstreitpunkt zwischen Union und Zentrum ist demnach die Frage der „Dekommunisierung“, mit der das Zentrum seinen Wahlkampf führte. Zentristen- Chef Jaroslaw Kaczynski erklärte vor der Presse, das Zentrum werde sich an einer „Regierung der Kontinuität“ nicht beteiligen. Eine dramatische Abendsitzung der Demokratischen Union am Dienstag ging indessen ergebnislos zu Ende, erwogen wurde allerdings, ob Geremek seine Mission zur Regierungsbildung niederlegen solle.
Der Viererkoalition hat sich inzwischen auch die kleine, aus der Bauern-Solidarität kommende Agrarpartei „Bauernallianz“ angeschlossen. Trotzdem genügt dies noch nicht für eine Parlamentsmehrheit. Das Zünglein an der Waage sind indessen auch die Liberalen, bei denen es sowohl einen Flügel gibt, der mit der Viererkoalition gehen will, als auch einen Flügel, der ein Bündnis mit der Demokratischen Union anstrebt.
Zu einem öffentlichen Konflikt im Zusammenhang mit der Regierungsbildung hat indessen eine Äußerung des noch der PVAP entstammenden Verteidigungsministers Kolodziejczyk geführt. Nachdem der Parteichef der Konföderation Unabhängiges Polen, Moczulski, seinen Anspruch auf das Amt des Verteidigungsministers angemeldet hatte, hatte Kolodziejczyk öffentlich davor gewarnt, dieses Amt mit einer Person zu besetzen, die sich als politisch und inhaltlich inkompetent erweisen könne. Dann könnten in der Armee „sehr gefährliche Prozesse“ stattfinden. Nach Protesten verschiedener Parteien gegen seine Äußerungen erklärte der Marineadmiral, er wolle seine Äußerung nicht als Putschdrohung verstanden wissen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen