Streit um das Erbe der polnischen KP

Wie das Vermögen der PVAP still und leise verschwand / Polens Ex-Kommunisten im Zwielicht: Kredite aus Moskau, Geheimtreffen und leere Konten / Streit um KP-Erbe droht die Partei zu spalten  ■ Aus Warschau Klaus Bachmann

In der „Sozialdemokratie der Republik Polen“ (SdRP) gärt es. Der Grund: das liebe Geld. Trotz ihres überraschenden Wahlsiegs vom 27. Oktober, bei dem die Sozialdemokraten immerhin zweitstärkste Partei wurden, werden Forderungen nach radikaler Abrechnung mit der Vergangenheit und personellen Konsequenzen in der Führung immer lauter. Die Partei ist ins Gerede gekommen, vor allem im Zusammenhang mit einem Millionenkredit der KPdSU. Der soll im Januar 1990 nicht nur an die gerade in Auflösung befindliche PVAP, sondern auch an deren Erbin SdRP vergeben worden sein. Hinzu kommt, daß ein Großteil des vererbten Vermögens verschwunden ist.

Als die Delegierten des letzten Parteitags der PVAP am 29. Januar 1990 die Internationale singend ihre Vergangenheit beerdigten, gründeten sie zugleich die Nachfolgepartei SdRP. Ihr wurde das gesamte Vermögen der Partei übertragen. Im Herbst darauf verabschiedete der Sejm ein Gesetz zur Auflösung des Vermögens der PVAP. Das trat allerdings erst Ende Februar 1991 in Kraft. Ihm zufolge wurde alles, was der Partei vor dem 24. August 1989 — der Amtseinführung der Regierung Mazowiecki — gehört hatte, Eigentum des Staates.

Die Regierung setzte einen Liquidator ein, der allerdings bis heute nicht weiß, wie und was er eigentlich konfiszieren soll. Jozef Palinka, von Beruf Anwalt, sitzt in einem kleinen Büro in Warschau, verfügt über zwei Telefone, eine Sekretärin, etliche halbamtliche Helfer und: ist ratlos.

Als die PVAP zu Grabe getragen wurde, verfügte sie über sechs Milliarden Zloty (circa eine Million Mark). Als das Gesetz in Kraft trat und Palinka das Geld haben wollte, gab es nur noch 44 Millionen (circa 7.500 DM). Was allerdings nicht verschwand, das waren die Immobilien. Doch das Gesetz — verabschiedet von einem Parlament, in dem die ehemaligen Kommunisten und ihre Blockparteien die Mehrheit stellten — ließ auch dafür einen Schlupfwinkel: Die SdRP darf alles behalten, was aus Mitgliedsbeiträgen der PVAP finanziert wurde.

Und so behauptete die Partei einfach bei jedem einzelnen Gebäude, das Palinka übernehmen wollte, es sei aus Mitgliedsbeiträgen finanziert. Solange man sich durch die Instanzen streitet, bleibt die Partei erstmal im Gebäude. Mehr noch — teuer vermietet an Banken und Firmen stellen viele der Immobilien ernstzunehmende Einnahmequellen dar. Palinka: „Das Gesetz regelt die Rechte Dritter überhaupt nicht.“ Folge: Hat die Partei vor Inkrafttreten des Gesetzes etwas veräußert, ist es erstmal weg, der Staat hat dann höchstens noch ein Recht auf den Kaufpreis.

36 Firmen hat die PVAP noch kurz vor ihrem Ableben gegründet. Soviele zumindest hat Palinka gefunden. Bei der SdRP weigert man sich derweil, zu solchen Fragen Stellung zu nehmen. Doch auch so ist leicht zu eruieren, daß in vielen Fällen die Sozialdemokraten die Aktienmehrheit selbst übernommen haben. Einige der Firmen sind darüber hinaus schon mehrmals in die Schlagzeilen geraten. Die Warschauer „Transakcja“, wegen nicht ganz legaler Bartransaktionen mit Grusinien (Computer gegen Kognak) und später der Lebensmittelkonzern Iglopol.

Das Wirtschaftsimperium der Partei ist indessen weit größer, als Palinkas Erhebungen andeuten. Allein die „Transakcja“ hat nach einem internen Geschäftsbericht von 1990 in mindestens 15 weiteren Unternehmen, darunter einer Bank, größere Aktienpakete und verfügt in jeder Wojewodschaft über mindestens eine Filiale. Die „Agencja Gospodarcza“ besitzt 80 Tochterfirmen und circa 100 Läden im ganzen Land. „Eurotour“ besitzt mehrere Hotels, „Mesa“ in Danzig wiederum eine größere Anzahl Aktien in Danziger Privatfirmen. Inzwischen, so berichtete die Tageszeitung 'Zycie Warszawy‘, seien die Sozialdemokraten sogar dabei, eine polnisch-sowjetische Bank zu gründen.

So war denn auch die Aufregung groß, als die sowjetische 'Komsomolskaja Prawda‘ von einem Geheimtreffen im März dieses Jahres in Warschau berichtete, bei dem die wirtschaftliche Untergrundtätigkeit der kommunistischen Parteien Osteuropas koordiniert werden sollte. SdRP Generalsekretär Leszek Miller, früher Politbüromitglied der KP, sieht das anders: Ein keineswegs geheimes Arbeitstreffen zum Erfahrungsaustausch sei das gewesen.

Mit von der Partie, so weiß man inzwischen, waren allerdings auch die Geschäftsführer der parteieigenen Firmen „Transakcja“, „Agencja Gospodarcza“ und „Eurotour.“ Im Zusammenhang mit der Affäre um den KPdSU-Kredit bringt so jede weitere Enthüllung die Partei immer mehr in Schwierigkeiten.

Leszek Miller glauben inzwischen schon die eigenen Genossen nicht mehr so recht. Ein Vorstandsmitglied trat bereits zurück, Parteiführer Kwasniewski und der inoffizielle, weil formal parteilose Kopf der Sozialdemokraten im Parlament, Wlodzimierz Cimoszewicz, gingen bereits öffentlich auf Distanz zu Miller. Der Konflikt um das belastende PVAP-Erbe hat dabei auch eine parteipolitische Dimension. Viele der von der Basis kommenden Reformer, die 1989 erst die Auflösung der PVAP erzwungen haben, in der Hoffnung auf eine wirklich sozialdemokratische Alternative, sind über den Einfluß der von Miller geführten Gruppe ehemaliger PVAP-Apparatschiks enttäuscht. Sie möchten nun das verwirklichen, was Parteichef Kwasniewski auf dem Parteikongreß vom Januar letzten Jahres durch seinen Einsatz verhinderte: die Säuberung der Partei von den kommunistischen Überresten. Selbst über eine Auflösung und anschließende Neugründung unter anderem Namen und neuer Führung wird jetzt in der Partei debatiert.