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Schäuble kann Klose nicht kontern

Der neue SPD-Fraktionschef skizziert seine Position als Oppositionsführer/ Grundsätzliche Veränderungen sind notwendig/ Nicht sein Widerpart Schäuble, sondern der Kanzler bietet Contra  ■ Aus Bonn Tissy Bruns

Die Opposition hatte den Vortritt. Hans-Ulrich Klose war der erste Redner im Bonner Wasserwerk, als es um den Kanzlerhaushalt und damit um die Generaldebatte zwischen Regierung und Opposition ging. Klose, der Überraschungssieger im Rennen um den SPD-Fraktionsvorsitz, und Wolfgang Schäuble, der Anfang der Woche neuer Chef der Unionsfraktion geworden ist, hatten für ihre erste parlamentarische Konfrontation in den neuen Ämtern einen publikumsträchtigen Rahmen. Klose, von dem viele aus der eigenen Fraktion nicht wissen, wo er eigentlich steht, kreuzte nicht nur die Klingen mit der Regierung; seine Rede muß auch als programmatische Erklärung des neuen Oppositionsführers im Parlament gelten. Er begann, wie es seinem „nicht lauten“ Stil entspricht, mit Artigkeiten. Dank an Vogel, an Dregger, Glückwunsch an Schäuble, um dann „mit Anstand“ zu streiten. Selbstsicher, bestimmt, ruhig setzte Klose für seinen Kontrahenten von der Union einen weitgesteckten Rahmen: Das Lob für die Lateinamerikareise des Kanzlers endete in der Frage: „Werden sich die Deutschen für längere Zeit auf sich selbst zurückziehen, auf den notwendigen Wiederaufbau im eigenen Land? Werden sie sich vorrangig nur noch um Osteuropa kümmern?“ Der Fraktionschef der SPD will das nicht. Ausgangspunkt seiner Rede waren die „bedenklichen Zerstörungen im weltweiten Ökosystem“, die von der Verelendung des Südens ausgelöste Armutswanderung in die Industrieländer. Klose: „Wir müßten anfangen, die Verhältnisse bei uns zu ändern, und zwar grundsätzlich.“ Sein erster konkreter Vorschlag: die Verteuerung des Energieverbrauchs, eine bekannte Position aus dem Lafontaine-Wahlprogramm, die in letzter Zeit stark in den Hintergrund getreten ist.

Dieser Tenor durchzog die ganze Rede. Komplexe Problemsicht: von der Armutswanderung zum Asylproblem. Bekenntnis zur Grundposition: kein Antasten des Grundrechts auf Asyl. Attacke auf die Regierung: „Sie, Kollege Schäuble, haben unrecht, wenn Sie den Menschen weiszumachen versuchen, mit einer Änderung des Artikels 16 sei das Asylproblem zu lösen. Und das wissen Sie auch... Wenn Sie es aber wissen, aber dennoch so tun als ob, dann erweist sich das ständige Reden über den Artikel 16 als Kunstgriff, um von den eigentlichen Problemen abzulenken.“ Ausdrücklich einverstanden mit der zügigen Deutschlandpolitik des Kanzlers, kritisierte Klose die Regierung für „allzu rosige Beschreibung der Einheitsfolgen“. Nicht weniger Belastung für die westlichen Bundesländer und ihre Bewohner, aber geplantere Verwendung der Mittel und bewußte Industriepolitik. Schließlich ein klares sozialdemokratisches Credo: „Als ob es den konsequent marktwirtschaftlichen Kurs gefährden würde, wenn zugleich auch der Staat seine Schulaufgaben erledigt.“ In der Außenpolitik bewegte sich Klose streng entlang den Parteibeschlüssen: „Wir sagen ja zu sogenannten Blauhelme-Aktionen. Überlegungen, die darüber hinausgehen, halten wir nicht für vordringlich.“

Schäuble, der Amtskollege von der Unionsfraktion, versuchte vergeblich, in der Auseinandersetzung mit Klose noch eine eigene klare Linie durchzuhalten. Die „Vollendung der Einheit Deutschlands, einheitliche Lebensbedingungen in ganz Deutschland zu schaffen“, diese schon oft gebrauchte Sprachfigur bildete die Essenz seiner Rede, die sich in zerstückelten Erwiderungen auf Klose verbrauchte. Dem geforderten ökologischen Umsteuern begegnete Schäuble beispielsweise mit dem schadstoffarmen Auto, das die Kohl-Regierung durchgesetzt habe. Auf den Vorwurf Kloses, die Regierung verschlampe die Allparteienvereinbarungen zum Asyl, folgt eine Retourkutsche: Die SPD-Länder seien die Verhinderer. Eine Klarstellung zu den neuerlichen Diskussionen innerhalb der Koalition zum Asylthema bleibt aus. Deutlich ist Schäuble aber in einer anderen Frage. „Volle Handlungsfähigkeit der souveränen Bundesrepublik heißt auch gleichberechtigte Teilnahme der Bundeswehr im internationalen Verbund.“ Zur in dieser Debatte oft beschworenen Verantwortungsethik lautet Schäubles Maxime: „Wir haben kein Recht, den Menschen den nahestehenden Weltuntergang vorherzusagen. Wir haben die Pflicht, Schritt um Schritt zu handeln, Hoffnungen zu lassen, Zuversicht zu geben.“

Daß die Regierung in dieser Hinsicht keineswegs am Ende ist, demonstrierte mit dem ganzen Gewicht seiner Person schließlich Helmut Kohl. Was bei Schäuble blaß blieb, gelang Kohl: Die deutsche Einheit haben wir gemacht, nicht ihr Skeptiker von der Opposition. Er sieht berechtigte Sorgen der Menschen im Osten, verströmt jedoch die Zuversicht auf angeglichene Lebensverhältnisse in drei bis fünf Jahren. Und schließlich seine Vision: Europa. Mit dem geradezu furiosen Schluß „Nie wieder Krieg, nie wieder den Nationalstaat des 19 Jahrhunderts. Für ein geeintes Deutschland in einem geeinten Europa“ erntet er den Applaus des Tages. Im Grunde war es auch die Rede des Tages, denn sie machte klar, daß globale und nachdenkliche Problemerörterung nicht reicht gegen eine Regierung, die einfach unverdrossen regiert.

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