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INTERVIEW„Stoltenberg gibt keine Antwort“

■ Werner Kolbow, verteidigungspolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, zur Panzeraffäre

taz: Herr Kolbow, vor vier Wochen waren Sie mit den Antworten des Verteidigungsministeriums und des Kanzleramts zur Panzeraffäre höchst unzufrieden. Räumt der Untersuchungsbericht Ihre offengebliebenen Fragen aus?

Werner Kolbow: Die Fragen sind im großen und ganzen beantwortet, was den Komplex Israel angeht. Sie sind nicht beantwortet, was die Verwendung und Verwertung des restlichen Materials, Waffen, Systeme, Geräte, Munition der ehemaligen Nationalen Volksarmee angeht. Auch nicht in der Hinsicht, wie möglicherweise die siebzig Länder, die sich nach Auskunft der Bundesregierung dafür interessieren, bedient worden sind. Ob nun Rüstungsexport, also verbotener Rüstungsexport stattgefunden hat.

Zum Komplex Israel hatten Sie nie bemängelt, daß überhaupt Zusammenarbeit stattfindet. Sie haben bei der letzten Sitzung des Verteidigungsausschusses aber danach gefragt, ob die Entscheidungs- und Kontrollmechanismen bei solchen Transaktionen, insbesondere in der Hardthöhe, zureichend sind. Sind diese Fragen beantwortet?

Der Minister gibt keine Auskunft zu der Frage der politischen Gesamtverantwortung. Der Bericht erklärt, volkstümlich formuliert, die Fehler der Indianer und sagt nichts zum Häuptling. Es kann aber nicht sein, daß aufgrund einer nachvollziehbaren subjektiven Auffassung — Israel wird im Golfkrieg bedroht, und wir haben seit 1967 die wehrtechnische Zusammenarbeit mit Israel als Konstante unserer Politik — diejenigen, die einen Fehler gemacht haben, hängengelassen werden. Hier ist der Minister gefragt, aber er hat leider keinen Sinn mehr für die politische Kultur und will im Amt bleiben.

Sie hatten zum Beispiel gefragt, warum Israel nicht auf der sogenannten Hennig-Liste erscheint, der Liste von Ländern, die sich für NVA-Material interessieren.

In einem Schriftwechsel mit meinem Fraktionskollegen Erler ist gesagt worden, daß dies durch einen Fehler und durch eine falsche Liste so in die Antwort geraten ist. Also hier hat eine bürokratische Aufklärung stattgefunden. Aber wir wollen wissen, warum viele Länder nicht erwähnt worden sind.

Sie haben Herrn Stoltenberg vor vier Wochen den Rücktritt empfohlen. Was werden Sie im Verteidigungsausschuß fordern?

Herr Stavenhagen hat heute eine bemerkenswerte Einsicht gezeigt und eine Konsequenz gezogen, vor der man als Demokrat den Hut zu ziehen hat. Herr Stoltenberg sollte sich ein Beispiel nehmen.

Wird die SPD die Einrichtung eines Untersuchungsausschusses verlangen?

Das hängt davon ab, wie die offengebliebenen Fragen beantwortet werden. Bevor wir das doch sehr arbeitsreiche Gremium eines Untersuchungsausschusses einberufen, wollen wir alle anderen parlamentarischen Möglichkeiten nutzen, möglicherweise eine Sondersitzung des Verteidigungsausschusses am Donnerstag, aber auch kleine und große Anfragen. Wenn dann noch etwas übrigbleibt, haben wir Anfang 1992 einen Untersuchungsausschuß.

Den Rücktritt von Staatsminister Stavenhagen sehen Sie im Zusammenhang mit dieser Affäre?

Das war einer der Vorwürfe, die ihm gemacht worden sind. Interview: Tissy Bruns

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