IM KOSMOS
: Der Himmel der Astronomie

Riesenteleskope senden Nachrichten ins All. Die Annahme außerirdischen Lebens ist in der Wissenschaft nicht mehr tabu. Über riesige Teleskope rufen Astronomen in den Weltraum und lauschen auf Antwort. Die Atmosphäre weit entfernter Planeten wird auf organische Moleküle untersucht, um die Vorgänge beim Entstehen des Lebens auf der Erde zu erforschen. Für die Astrophysiker hat sich das Geheimnis der „verborgenen Masse“ noch nicht enthüllt; nach allen Berechnungen müßte im Universum mehr Materie vorhanen sein, als wir kennen. Vielleicht gibt es ja unter den Neutrinos, die alles durchdringen, eine Art, die Masse aufweist? Die Astronomen hoffen, diese unsichtbare Materie mit noch größeren Teleskopen aufzuspüren.  ■ VON DOMINIQUE LEGLU

Aus dem Weltraum kam mittels Übertragungsfähigheit der „verborgenen Masse“ eine 169 Sekunden lange Meldung über das Funktionieren der Sterne und die Entstehung von Galaxien. Von nahem besehen, bestand sie aus zwei verschiedenen Impulsen und 1.679 aufeinanderfolgenden Zeichen. Überdies enthielt sie die Zahlen von 1 bis 10, fünf wichtige Atome (Wasserstoff, Kohlenstoff, Sauerstoff, Stickstoff und Phosphor), aber auch Formeln für Zucker und DNS-Basen, ein Schema der Doppelspirale ... Offensichtlich konnten nur intelligente Wesen, die bereits zahlreiche Geheimnisse des Lebens erforscht hatten, eine solche Meldung verfassen.

Am 16. November 1974 hat das riesige Teleskop von Arecibo in Puerto Rico, das größte Radioteleskop der Welt mit einer einzigartigen Antenne, tatsächlich 169 Sekunden lang die oben genannte Meldung ... nicht empfangen, wohl aber gesendet. „Gibt es da oben jemanden, der uns verstehen kann?“ schien das Teleskop ins All hinauszurufen. Wird es vielleicht doch eines Tages eine ähnliche Meldung empfangen? Gibt es da oben jemanden, der uns plötzlich Kuckuck zurufen wird?

Vor einigen Jahrzehnten war eine solche Idee in wissenschaftlichen Kreisen noch völlig unvorstellbar. Die Annahme von außerirdischem Leben oder gar von außerirdischer Intelligenz gehörte in den Bereich der Science-fiction-Literatur. Man mußte schon sehr selbstsicher sein, um eine solche Frage unter Wissenschaftskollegen aufzuwerfen, die immer gleich dachten, man würde an fliegende Untertassen glauben.

Aber diese Idee hat sich durchgesetzt. Äußerst seriöse Astronomen haben Programme zum Abhören des Weltraums entwickelt. Der Planetologe Carl Sagan von der Universität Cornell, einer der Väter des Voyager-Programms zur Erforschung des Sonnensystems, hat einmal gesagt: „Ich meine, es liegt am Übermaß menschlicher Überheblichkeit, zu glauben, daß in einer Galaxie mit 400.000 Millionen Sternen unser Stern der einzige ist, der bewohnt ist.“ Es müßten überhaupt erst einmal wissenschaftliche Untersuchungen durchgeführt werden, um ein solches „Vorurteil“ zu bekräftigen, das heißt es müßten „Experimente gemacht werden“. Und genau in dieser Richtung ist man heute tätig. Die erste Forschungsrichtung, nämlich „das Weltall abzuhören“, ist allerdings sehr aufwendig. Denn die Zahl der abzuhörenden Kanäle wird schnell gigantisch: tausend Milliarden für einen einzigen Stern. Und in unserer Galaxis könnte es gut 100.000 Sterne geben, die abzuhören sich lohnte. Um dieser gewaltigen Aufgabe gerecht zu werden, unterstützt die NASA zur Zeit das Projekt Mega-SETI (Search for Extra-Terrestrial Intelligence), das vor allem den Einbau von hochleistungsfähigen Empfangsgeräten (zehn Millionen Kanäle gleichzeitig) in die Brennpunkte von Teleskopen wie in Arecibo oder in Nanay (Frankreich) plant. Vielleicht wird man sehr lange auf Ergebnisse warten müssen.

Manche Astronomen sind damit keineswegs zufrieden: „Das ist keine wissenschaftliche Arbeitsweise, sondern reinste Angelei“. Wenn ein Fisch anbisse, so wäre das sicherlich die Revolution. Da diese Revolution aber wohl lange auf sich warten lassen wird, argumentieren viele andere vernünftiger. Statt nach hochentwickelten Zivilisationen zu suchen, sollte man den Schwerpunkt lieber auf die Erforschung von Molekülen legen. Aber welche Moleküle soll man untersuchen? Eben jene, die die Entstehung des Lebens auf unserem Planeten ermöglicht haben. Alle Forscher fiebern heute der nächsten Cassini-Hygens- Mission (ein Gemeinschaftsprojekt der amerikanischen NASA und der europäischen Weltraumagentur ESA) zum Titan entgegen, einem Satelliten des Saturn. Unter seiner Hülle aus orangefarbigem Nebel verbirgt er vielleicht eine Suppe, die Ähnlichkeit mit der haben könnte, die vor viereinhalb Milliarden Jahren auf der Erde vorherrschend war. Ein Nebel, der aus sehr komplexen organischen Molekülen besteht, die auf die Oberfläche des Planeten fallen und sich dort vielleicht kilometerdick angehäuft haben. „Ein phantastisches Labor in planetarem Maßstab, in dem man die chemischen Vorgänge erforschen könnte, die mit der Entstehung des Lebens zusammenhängen“, meint Carl Sagan, der mit seinem Team versucht hat, die seltsame Atmosphäre des Titan in seinem irdischen Labor nachzubauen. Sehr eigenartig. Indem man Phänomene untersucht, die heute auf einem fremden Satelliten stattfinden, der Milliarden von Kilometern entfernt ist, kann man vielleicht verstehen, was bei uns in den Uranfängen geschehen ist.

Noch bescheidener, ohne gleich dem Geheimnis der Entstehung des Lebens nachzuspüren, kann man die Chemie des Raumes erforschen. „Die interstellare Chemie wird noch viele unerwartete Entdeckungen machen“, betont der französische Astronom Pierre Lena. „Niemand kann sich vorstellen, daß man hundert Moleküle findet, von denen einige zehn oder mehr Kohlenstoffatome haben, ein Atom, das für die Bausteine des Lebens auf der Erde unverzichtbar ist.“ Was haben wir von dieser Astrochemie zu erwarten? Wird man im Kosmos besonders günstige Geburtsstätten für bestimmte Moleküle finden, sozusagen kosmische Kindergärten, aus denen die Vorfahren unserer Proteine und andere Aminosäuren hervorgegangen sind?

Das wäre also eine Verfeinerung dieser etwas befremdlichen wissenschaftlichen Jagd. Allerdings ist der Himmel der Astronomen von noch viel unglaublicheren Geheimnissen bevölkert. Um nur eines zu erwähnen, die „verborgene Masse“ des Universums überschreitet jedes Vorstellungsvermögen. Seit Jahrzehnten haben die Astrophysiker ihre Berechnungen immer wieder überprüft, aber sie sind immer auf das gleiche Rätsel gestoßen: Das Universum, das wir sehen, hat weder Hand noch Fuß. Es müßte mindestens neunmal so massiv sein wie alle Himmelskörper der Galaxie und andere sichtbare Objekte. Wo ist diese ungeheure Menge von Materie geblieben? Schwarze Löcher, erloschene Sonnen oder unbekannte Partikel – Hypothesen blühen allerorten.

Für eine solche Untersuchung müßte man die allerbesten Teleskope heranziehen. Seit 1933 hat der Amerikaner Fred Zwicky, einer der größten Astronomen dieses Jahrhunderts, seine Kollegen mit dieser Frage in Aufregung versetzt. Denn das, was letzten Endes zu Verwirrung führt, ist das seltsame Verhalten der sichtbaren Materie. So enthalten zum Beispiel die Spiralnebel, diese hübsch anzusehenden kosmischen Objekte, Milliarden von Sternen, die auf mehrere sich drehende Arme verteilt sind. Bei der Beobachtung ihrer Rotation hat man so etwas wie einen Fehler festgestellt: Die Zentrifugalkraft hätte sie schon lange zerreißen müssen, da sie nicht massiv genug sind, um „zusammenzuhalten“. Aber sie halten.

Es gibt somit in ihnen eine verborgene Masse, eine schwarze Materie. Aber mit was wäre sie vergleichbar? Wird man sie eines Tages mit dem Teleskop zu fassen kriegen? Oder wird sie sich von den Teilchenbeschleunigern der Physiker einfangen lassen? Es könnte sich um kompakte und massive kosmische Objekte handeln, die Lichtstrahlen zur Abweichung bringen und die sich durch lange und genaue Beobachtungen ausmachen lassen. Australische, amerikanische und europäische Forschergruppen haben ihre Teleskope bereits auf dem Mont Stromlo, in Siding Springs (Australien) und in La Silla (Chile) aufgestellt. Allerdings kann man nicht ausschließen, daß es sich um noch flüchtigere Objekte handelt, um Teilchen wie das Neutrino. Seit Jahren bemüht man sich darum, dieses Teilchen besser zu erforschen, das die Erde vollständig durchqueren kann, ohne sie auch nur zur Kenntnis zu nehmen. Den Physikern zufolge gibt es drei Arten von Neutrinos. Und eine davon könnte massiv sein. Das wäre ein Glücksfall. Stellen wir uns vor, daß Myriaden von Neutrinos durch das Weltall schwirren. Und daß sie die verborgene Materie bildeten – aber das wäre zu einfach.

Nur eines scheint sicher zu sein: Wer die Existenz von verborgener Materie wirklich nachweisen kann, wird den Nobelpreis bekommen! Und wer seinen Mitstreitern Klarheit über die Neutrinos verschafft, dem werden zumindest sie für immer dankbar sein. Denn dieser große Fisch wird zu vielen neuen Ideen über andere Phänomene der Natur führen. So haben zum Beispiel die Sterne noch lange nicht all ihre Geheimnisse preisgegeben. Aus dem Mittelpunkt unserer Sonne entweichen beispielsweise ständig Milliarden von Neutrinos. Sie sind die einzigen, die auf direktem Wege dieser Hölle der thermonuklearen Reaktionen entkommen. Sie allein könnten etwas über diesen zentralen Motor aussagen, sie könnten etwas von der inneren Struktur dieses Himmelskörpers enthüllen, ohne zu lügen.

Es ist nur schwer vorstellbar: Unsere Sonne, die so nah ist, die so banal ist, bleibt ein Rätsel. Was im Inneren stattfindet, kann man nur aufgrund eines deformierten Reflexes an der Oberfläche erahnen. Wie soll man das Universum begreifen, wenn das Leben unseres eigenen Sternes so voller Rätsel ist! Überdies wissen wir immer noch nicht, wie ein Stern entsteht. Und das, obwohl am Ende der 60er Jahre sämtliche Infrarot-Meßinstrumente auf jene Anhäufungen von kosmischem Staub gerichtet wurden, hinter denen sich die Sterne bei ihrer Entstehung verbergen. Heute, im Licht der neuesten Forschungsziele, wird das Geheimnis sogar noch undurchdringlicher: Wir wissen immer noch nicht, wie Galaxien entstehen und wo sie bleiben. Und zur allseitigen Verblüffung, völlig unerwartet und ganz und gar unerklärlich müssen wir dann noch das Auftauchen des „Großen Anziehers“ erleben. Eine riesige Konzentration von Galaxien, die größte, die jemals beobachtet wurde und die uns zu sich hinzieht. Man braucht nur zu verstehen, was dieser Anzieher ist, und schon wird man weitere Attraktionen entdecken. Eines der großen Forschungsprobleme der Gegenwart.

Neue Teleskope bringen automatisch neue Entdeckungen

Nur eines scheint sicher. Man braucht den Astronomen nur neue Instrumente zu geben (vor allem auf den verschiedenen Gebieten zur Erforschung der Wellenlängen), und sie werden neue Entdeckungen machen. Das läuft geradezu automatisch. Martin Harwitt schrieb vor zehn Jahren in seinem Buch Cosmic Discovery, in dem er sich mit den Entdeckungen der Astronomie beschäftigt: „Wir haben gegenwärtig vermutlich nur 1 Prozent aller Beobachtungstechniken entwickelt, die nötig wären, um einen allgemeinen Überblick über das Weltall zu bekommen. Heißt das, daß wir bisher nur 1 Prozent der letztlich möglichen Entdeckungen gemacht haben? Wahrscheinlich nicht. Die bisher gesammelten Fakten deuten darauf hin [...], daß es sich vielleicht um ein Zehntel oder gar ein Drittel aller Phänomene handelt, die im Kosmos entdeckt werden können.“

Das könnte einen optimistisch stimmen. Sogar so weit, daß man fast geneigt wäre, ohne große Vorsichtsmaßnahmen Voraussagen zu machen.

Ein Lotteriespiel? Aber warum auch nicht? Mit der Verbesserung der Teleskope (in Europa der geplante Satellit ISO, und auch das große Erdteleskop VLT) steht man kurz vor der Entdeckung von Planetensystemen. Im Sommer 1991 hat eine Forschungsgruppe aus Manchester verkündet, sie habe einen Planeten aufgespürt. Doch für viele Astronomen handelte es sich dabei nicht um eine Beobachtung, die direkt genug gewesen wäre. Man muß sich vielmehr vorstellen, daß es sich um eine große protoplanetare Scheibe handelt, die einen Stern umgibt – so wie die, aus der vor 4,5 Milliarden Jahren unser Planetenschwarm hervorgegangen ist. Da werden künftig viele Herzen höher schlagen.

Dominique Leglu schrieb kürzlich das Buch Supernova“. Die Atomphysikerin leitet die Wissenschaftsredaktion vonLiberation.