: Mit Panzern gegen das tödliche Erbe
■ Sie sind billig, schnell zu produzieren und einfach zu transportieren. Sie sollen nicht töten, sondern verkrüppeln: Minen - die Geißel, die auch lange nach einem Krieg die Bevölkerung terrorisiert.
Mit Panzern gegen das tödliche Erbe Sie sind billig, schnell zu produzieren und einfach zu transportieren. Sie sollen nicht töten, sondern verkrüppeln: Minen — die Geißel, die auch lange nach einem Krieg die Bevölkerung terrorisiert.
Rupert Neudeck sucht ehemalige Soldaten und Unteroffiziere. Der Vorsitzende der Hilfsorganisation Cap Anamur, für die ansonsten Krankenschwestern, Pfleger und Ärzte arbeiten, bemüht sich seit Wochen um Militärgerät und -personal, um in Somalia helfen zu können. 20 Minensuchpanzer soll das Verteidigungsministerium in den Norden Somalias schicken, um Minen zu entschärfen. Zwei oder drei Millionen Minen lauern im Boden des Landes, die täglich Menschen töten, verletzen oder verstümmeln.
Waffen, Panzer und Minen kann sich auch ein Land beschaffen, das zu den zehn ärmsten der Welt gehört. Viel schwerer, fast unmöglich ist es aber, die gefährliche Last wieder loszuwerden. So zieht sich auch die Entscheidung über die 20 Suchpanzer aus deutschen Beständen hin. Mit einer in anderen Fällen nicht unbedingt üblichen Sorgfalt wird geprüft. Zwar ist Rupert Neudeck nach den letzten Gesprächen im Verteidigungsministerium optimistisch. Weil mittlerweile geklärt ist, daß die Panzer so umgebaut werden können, daß sie in keiner Weise als Waffen verwendet werden können, sieht er eigentlich kein Hindernis mehr. Aber verbindlich ist noch nichts. Die Bundesregierung verweist auf Anfrage an das zuständige Auswärtige Amt, das wiederum auf das Verteidigungsministerium: dort befände man sich zur Zeit in der „rechtlichen, materiellen und personellen Prüfung“. Das Verteidigungsministerium „wird sich bemühen zu helfen“. Aber auch nach einem technischen Umbau blieben die Geräte Kriegswaffen, die nur mit Ausnahmegenehmigung des Wirtschaftministeriums versandt werden dürften.
„Die Behauptung, Minen seien Verteidigungswaffen oder würden gar zum Schutz von Militärs und ziviler Bevölkerung eingesetzt, ist an Zynismus nicht zu übertreffen. Minen sind, vielleicht neben dem Einsatz von Giftgasen, die brutalsten und unmenschlichsten Waffen, die es gibt.“ Colonel Colin Mitchell weiß, wovon er redet. Der Schotte, ehemals Berufssoldat und Parlamentarier, der „seit dem Zweiten Weltkrieg in vielen Kriegen gekämpft“ hat, gründete vor fünf Jahren in England die „Hazardous Areas Life Support Organisation“. Die Hilfsorganisation, kurz „Halo- Trust“ genannt, hat sich der Beseitigung von Minen in den von Kriegen und Bürgerkriegen zerstörten Ländern der Dritten Welt verschrieben. Sie war bisher in Eritrea und Afghanistan ebenso wie in Kambodscha tätig.
„Minen sollen die Zivilbevölkerung terrorisieren. Die neueren Minentypen sollen verkrüppeln, nicht töten“, sagt Mitchell. In den letzten zehn Jahren, vor allem mit der Verbreitung des Plastiksprengstoffes, hat es eine rapide Entwicklung in der Produktionstechnologie gegeben. Sie sind billig, doch ihr Schaden ist immens. Das Leiden und die Folgekosten für die betroffenen Bevölkerungen sind darüber hinaus langfristig. Auch wenn die Bürgerkriege und Kriege in Somalia, Afghanistan, Angola, Kambodscha und im Nahen Osten ein Ende finden, werden sie noch über Jahre und Jahrzehnte neue Opfer fordern. Die Länder, die alle Ressourcen für den Wiederaufbau ihrer Infrastruktur und die Entwicklung ihrer Wirtschaft benötigen, stehen vor der Situation, daß Tausende oder Zehntausende von Minenopfern medizinisch versorgt werden müssen. „In Afghanistan haben wir 16 verschiedene Minentypen gefunden, in Kambodscha etwa sieben“, sagt Mitchell. „Sie sind ganz unterschiedlich, zu den bekanntesten gehören die sogenannten ,Butterfly‘- Minen, die in Form von bunten Schmetterlingen abgeworfen werden und vor allem Kindern zum Verhängnis werden, die glauben, buntes Spielzeug zu finden. Oder die sogenannten Froschminen, die hellgrün sind und an der Wasseroberfläche schwimmen. In den Reisfeldern sind sie für die Bauern meist nicht zu erkennen.“
In Kambodscha werden bis heute monatlich 300 bis 500 Menschen verkrüppelt. Wieviele Millionen Minen im Lande verstreut liegen, darüber gibt es nur Schätzungen. Ein großer Teil der Gebiete, in die die über 300.000 Flüchtlinge von der thailändischen Grenze zurückgesiedelt werden sollen, sind minenverseucht. Dagegen ist die Zahl derjenigen, die für die mühsame und langwierige Arbeit der Minensuche zur Verfügung stehen, lächerlich gering. „Wir werden im kommenden Monat 15 Minensuchexperten in Kambodscha haben, die für die Ausbildung einheimischer Kräfte und zur Ausarbeitung von Minensuchprogrammen eingesetzt werden sollen“, so Colin Mitchell.
Auch in Afghanistan, wo geschätzt wird, daß noch vierzig Millionen Minen liegen, arbeitet eine Halo-Gruppe; dort hat sie sowjetische Minensuchpanzer zur Verfügung gestellt bekommen. Während für diese Länder die Öffentlichkeit in den vergangenen Monaten zumindest begonnen hat, auf die Dimension des Problems aufmerksam zu werden, sind Länder wie Angola völlig aus dem Blick der Weltöffentlichkeit geraten. Dort, so erklären Experten, gibt es mindestens soviele Minenopfer wie heute in Afghanistan. Tissy Bruns/Jutta Lietsch
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