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KOMMENTARMieser Stil

■ Die Parteipolitiker wickeln DT 64 in Raten ab

In Sachen DT 64 haben die Medienpolitiker — seien sie nun ampelfarben oder schwarzblauweiß — einen miesen Politikstil zur Anwendung gebracht, den man als »dynamisches Aussitzen« bezeichnen könnte. Die Jugendbewegung für das Jugendradio ging ihnen solange am Hinterteil vorbei, wie diese noch zu ignorieren war. Dann, um die Zeit zwischen Weihnacht und Neujahr, als eine Viertelmillion Unterschriften gesammelt waren und die pubertären und postpubertären Seelen kochten, entschloß man sich zu billigen Gnadenakten. Da sechs Monate, hier vier Wochen. Nicht aus gutem Willen heraus, selbstverständlich. Schließlich ist nur die eigene Sache eine gute Sache. Mit kläglichen Ködern nahm man dem sich schon seit Monaten aufreibenden Protest die Spitze und verhinderte das Umkippen der gutmütigen, DDR-gemäßen »Keine-Gewalt-Aktionen«. Erst Mecklenburg-Vorpommern ausblenden, dann Berlin-Brandenburg, der Süden wird folgen.

Außerdem wollten die Parteibuch-Funker — selbst noch ohne Jugendwellen — schlicht Zeit gewinnen. Besser ein paar angeblich rötliche Söckchen im Äther als gar nix. Die Sachsen spekulierten auch auf eine weitere Frequenz, die ihnen so später in den Schoß fallen mochte. Verspekuliert hat sich auf jeden Fall DT-64-Chef Michael Schiewack. Er und seine Mitstreiter setzten schließlich nur noch auf die öffentlich-rechtliche Lösung und versäumten es, Anträge für private Frequenzen einzureichen. Die Idee, dafür DT-64-GmbHs mit HörerInnen-Beteiligung in den Ländern zu gründen, wurde wohl nie stringent verfolgt.

Doch die Verantwortung für das jugendpolitische Desaster tragen die Parteipolitiker, denen die Interessen »ihrer« Rundfunkanstalten und Länder über alles gingen. Das Wort »Politikverdrossenheit« ist für diese PostenreiterInnen eben nur ein Winkelement für den Wahlkampf. Hans-Hermann Kotte

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