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EG will Kopfgeld für Kälber

Berlin (taz) — Eine bemerkenswerte Koalition hat sich in den vergangenen Wochen gebildet und sich schützend vor Europas noch ungeborene Kälbchen gestellt. Bauernverband, Landwirtschaftsministerium und Tierschützer streiten gemeinsam gegen mörderische Pläne der EG-Bürokratie. Die will nämlich künftig ein Kopfgeld von rund 200 Mark auf Kälber aussetzen, die von ihren Besitzern vor dem 10. Lebenstag ans Messer geliefert werden.

Hintergrund des Gerangels ist der Preisverfall für Rindfleisch in der EG. Es wird einfach zu viel davon produziert. Um der Überproduktion beizukommen, die derzeit zu Dumpingpreisen nach Lateinamerika abgesetzt wird und auch dort die Preise verdirbt, haben die Brüsseler Bürokraten einen diabolischen Plan ersonnen. Die sogenannte Rindfleischverordnung soll geändert werden. Analog zur Regelung bei Küken (die Guten zum Mäster, die Schlechten in den Mörser) schlagen die Brüsseler Beamten vor, künftig männliche Kälber der hochgezüchteten Milchviehrassen „in den ersten 10 Lebenstagen aus der Produktion“ zu nehmen. 100 Ecu Prämie soll der Steuerzahler den Tätern für diesen Markteingriff zahlen.

Zur Begründung führen die Bürokraten aus, der Rindfleischmarkt sei destabilisiert, „weil es in der Rinderhaltung eine hohe Anzahl männlicher Kälber von Milchviehrassen gibt“. Deren Fleisch sei minderwertig und erhöhe lediglich die Gesamterzeugung.

Doch inzwischen hat sich der Widerstand formiert. Bundeslandwirtschaftsminister Ignaz Kiechle hat sich nach eigenen Worten bei der EG „mit Nachdruck gegen die Einführung einer solchen Abschlachtaktion ausgesprochen“. Die Mehrheit seiner Ministerkollegen sei ebenfalls gegen den Vorschlag, teilte der Minister dem Deutschen Tierschutzbund mit. Das Ministerium suche weiter nach Verbündeten.

Der Tierschutzbund hatte geschimpft, Tiere würden in einer solchen Verordnung als „Wegwerfware“ behandelt, und Kiechles Einsatz gefordert. Andreas Striezel von der Arbeitsgemeinschaft Kritischer Tiermediziner sattelt noch drauf: Die Abschlachtung nach dem Entwurf der EG-Kommission verstoße gegen das Tierschutzgesetz. Die Tötung von Tieren ohne vernünftigen Grund sei strafbar.

Am wichtigsten vielleicht für die Kälbchen: Die Kopfgeldjäger, die mit dem Geld des Steuerzahlers gedungen werden sollen, sind „moralisch und ethisch dagegen“. Richard Bröckers vom Deutschen Bauernverband will so etwas nicht. „Wir halten das für einen unglücklichen Vorschlag.“ Der Funktionär, der gleichzeitig Geschäftsführer des Bundesverbands der Kälbermäster ist, kann außerdem keinen Sinn in dem Vorschlag erkenne: „Die kann man ja wirklich nur sinnlos totschlagen.“

Der Bauernverband stellt sich statt dessen vor, die Tier wenigstens so weit wachsen zu lassen, daß der Metzger etwas davon hat. 250 Kilo statt 350 Kilo Schlachtgewicht, damit könnte sich Bröcker schon anfreunden.

Die Kälber haben also trotz EG- Niedertracht gute Chancen, auch künftig die ersten 10 Tage zu überleben, aber was ist mit den Hähnchen? Gleiches Recht für alle! Hermann-Josef Tenhagen

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