INTERVIEW: „Wir sind doch die Vorreiter“
■ Bonn setzt beim FCKW-Ausstieg weiterhin auf die freiwillige Selbstbeschränkung der Industrie. Ein Gespräch mit Klaus Lippold (CDU), dem Vorsitzenden der Bundestags-Enquete-Kommission zum Schutze der Erdatmosphäre
taz: Herr Lippold, wie bewerten Sie die hohen Chlor-Konzentrationen in der Atmosphäre über der nördlichen Erdhälfte und deren Folgen für die Ozonschicht?
Klaus Lippold: Die Meldungen bestätigen, was ich schon immer gesagt habe. Wir müssen den Ausstieg aus der FCKW-Produktion schaffen, und wir müssen umgehend handeln.
Anfang letzter Woche haben Sie sich mit Herrn Töpfer getroffen. Welche Maßnahmen haben Sie ihm vorgeschlagen?
Die Verstärkung der internationalen Anstrengungen. Die EG muß den in Deutschland auf 1995 festgelegten Zeitpunkt für den Ausstieg übernehmen. Das muß auch weltweit geschehen.
Wollen Sie in Deutschland früher aussteigen?
Bei uns passiert etwas Erfreuliches: Die Industrie erfüllt den Zeitplan für den Ausstieg nämlich schneller als ursprünglich geplant.
Können Sie ein Beispiel nennen?
Die Reduzierung der FCKW-Herstellung um 50 Prozent stand erst für 1993 im Fahrplan. Jetzt sind wir aber schon bei 65 Prozent. Die Industrie ist damit fast zwei Jahre schneller als vorgesehen. Erfreulich ist auch, daß die Industrie im Gespräch mit Herrn Töpfer zugesagt hat, hier noch zu beschleunigen.
Auch bei einer Reduzierung um 65 Prozent werden noch Tausende von Tonnen FCKW produziert. Ein Produktionsstopp vor 1995 würde der Ozonschicht eher helfen.
Wir könnten den schnelleren Ausstieg nur in Vereinbarung mit der EG durchführen. Das heißt, wir haben jetzt rechtliche Positionen, die nicht mehr alleine von der Bundesregierung abhängig sind. Zweitens ist es besser, primär dort anzusetzen, wo die Massen der FCKWs produziert und freigesetzt werden, das heißt weltweit. Es hat keinen Sinn, wenn wir uns um die letzten 5.000 Tonnen in der Bundesrepublik kümmern und die Millionen weltweit außer acht lassen.
Warum machen Sie nicht hier ein Gesetz und sehen dann, ob es in der EG auf Widerspruch stößt? Vielleicht hat sich bis dahin in der EG auch etwas bewegt.
Also wissen Sie! Jetzt konstruieren Sie eine Situation, in der Sie unsere vernünftige Politik durch einige Nebenbemerkungen wieder relativieren. Das halte ich für falsch. Sie sehen, daß wir auf dem richtigen Weg sind. Wir sind die Vorreiter. Außerdem wären wir heute noch nicht so weit, wenn wir auf schnelle Verbote gesetzt hätten. Dann hätten wir nämlich die Vereinbarung mit den Anwendern nicht erreichen können.Ein schnelles Verbot wäre durch langwierige Verhandlungen in der EG hinausgezögert worden.
Sie sind also gegen ein Verbot vor 1995.
Ich bin nicht gegen ein Verbot! Ich sehe nur im Augenblick keine Möglichkeit dafür. Wenn ich die sehen würde, würde ich das sofort machen.
Die vielgerühmte Vorreiterrolle der Bundesrepublik ist damit dahin.
Auch das ist nicht richtig. Ich habe doch gerade gesagt, daß wir schneller als 1995 aussteigen wollen. Selbst wenn die USA sich auf das Datum 1995 festlegen, werden die dann wieder hinter uns sein.
Hier soll das alles auf der Basis von freiwilligen Maßnahmen der Industrie erfolgen.
Nicht nur freiwillig, wir drängen die Industrie auch dazu, die Gangart zu beschleunigen.
Denken Sie an einen Termin, zu dem die Industrie selbsttätig die Herstellung einstellen soll?
Ich gehe davon aus, daß wir deutlich vor 1995 zu einem Ende kommen.
Die weitere FCKW-Produktion wird damit begründet, daß die Ersatzstoffe noch nicht ausgereift sind. Muß noch geforscht werden?
Wir müssen die Tests auswerten und da zum Abschluß kommen. Es muß hundertprozentig sichergestellt werden, daß die Ersatzstoffe keine schädlichen Nebenwirkungen haben.
Das Umweltbundesamt meinte bereits 1989, es seien Ersatzstoffe vorhanden.
Wissen Sie, dann müßte das UBA belegen, daß vollständig durchgetestete Stoffe vorhanden sind.
Und das kann es Ihrer Meinung nach nicht?
Nein. Das ist der Punkt.
Das UBA hat sich 1989 also zu weit vorgewagt?
Damals ist die Diskussion darum gegangen, ob es grundsätzlich Ersatzstoffe gibt. Nebenwirkungen hat das UBA damals nicht getestet. Interview: Hannes Koch
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