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„Heute sagen wir uns alles...“

■ Skat und Canasta sind out, Psycho- und Partnerspiele immer noch mega-in

Liebesspiele in aller Öffentlichkeit, Erkenne dich selbst durch Würfeln und Reden, Therapy beim Glas Wein in großer Runde: Skat und Canasta sind hoffnungslos out, Psycho- und Partnerspiele mega-in! Exklusiv für Sie haben wir es gewagt, uns nackt bis auf die letzte Seelensocke ausgezogen: die taz im Selbstversuch.

„Seelenstriptease unter Gruppendruck“ sagen die einen, „ungeahnte Möglichkeiten“ wittern die anderen. Besonders an Therapy, seit Jahren ein Renner in der Spieleszene, scheiden sich die Geister.

„Heute sagen wir uns alles“, das ist die Devise der neun tazlerInnen, die sich mit leicht zitternden Knien zum Abend-Encounter zusammengefunden haben. Und schon kommt der erste Hammer in der „Einzeltherapie“: Von wem der Anwesenden wirst du heute nacht am ehesten träumen? Oh, oh. Was tun bei der Frage Für wie intelligent hälst du dich? Welches verkannte Genie würde sich da schon bekennen...

Eigentlich Sinn der Sache: Was meint der „Therapeut“, was sein „Patient“ denkt? Realität für den „Patienten“ zwecks Ergattern eines Übereinstimmungs-Punktes: Was denkt der, was ich denke?

Und dann doch: Wer hätte gedacht, daß die Kollegin Sabine M. (Namen geändert, d. Red.) ganz gern mal schlüpfrige Romane liest? Und daß Michael P. gerne Sexsymbol wäre... Und wenn's pikant wird: Als wenn nichts gewesen wäre, schnell die nächste Frage... Aber: Witzig war's. Spiel mit Tiefgang, aber nur für den, der will.

Love affairs — Liebespaare würfeln sich quer durch die Wohnung ins Bett — hm, in dieser Konstellation? Muß nicht sein. Nun sollen wir Herzklopfen bekommen: „Finden Sie heraus, welcher Mitspieler am besten zu ihnen paßt!“ Nachdem man vor dem Spiel seine eigenen positiven Eigenschaften selbst eingeschätzt hat, erfährt man im Laufe des Spiels durch z.B. „Wie reagieren Sie, wenn..“-Fragen, wer am besten damit übereinstimmt. Auch beim Liebesspiel geht es um „Traumpartner, die in den 7. Himmel wollen“. Immerhin: Nur hier dürfen „auch gleichgeschlechtliche Paare durch die Himmelspforte“. Wenigstens etwas. Aber sonst: Wissens-, Pech- und Schmollfelder, wer darf wann mit wem — das muß man zu lange studieren. Weg damit.

Der definitiv letzte Versuch, den Sex nicht ganz außen vor zu lassen: Eine Chance für die Liebe von unser Erika. Ein Blick auf die Fragekarten: „Wer von uns schläft danach am schnellsten ein?“ — „Wer geht heimlich in den Sexshop?“ Nicht unsere Welt.

Wer unter der Bettdecke unbedingt noch nach Spielregeln vorgehen will — bitte. Wer meint, mittels eines Spiels ganz schnell dorthin zu kommen - dito.

Viele Stunden der Hingabe — schon, um die Regeln und einzelne Spielzüge zu verstehen - braucht man dagegen für das von buddhistischen Mönchen entwickelte Erkenne dich selbst: Alles bedeutet etwas, welche Zahl man würfelt, auf welches der 144 Felder man kommt, wenn man auf welcher Entwicklungsstufe ist — ganz schön kompliziert. Hauptsinn des Spiels: Reden, reden, reden. Für Esoterik-Freaks stehen solche Gespräche sowieso auf der Tagesordnung, ganz ohne Partnersteine und Herzkärtchen, Favoritsteine und Wissensfragen - wieder achtzig Mark gespart. Susanne Kaiser

Das taz-Testteam hat übrigens nach einer Weile die vielen bunten Spielbretter beiseite gelegt: Wir haben, ganz ohne Pinüppel und bewegliche Couch, das Ratespiel „Was wäre Person X als Wetter, Blume, Getränk...“ gespielt. Ganz konventionell. Es war wunderbar.

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