piwik no script img

Späte Sühne für Skinhead-Überfall

■ Viereinhalb Jahre nach dem Überfall auf ein Punkkonzert in der Ostberliner Zionskirche standen jetzt drei Westberliner Skins vor dem Jugendschöffengericht

Moabit. Der Vorfall, der gestern vor dem Moabiter Jugendschöffengericht verhandelt wurde, liegt über vier Jahre zurück und hatte in der Haupstadt der DDR schwere Folgen. Am 17. Oktober 1987 stürmten Ost- und Westberliner Skinheads in einer konzertierten Aktion ein Punkkonzert in der Zionskirche im Bezirk Prenzlauer Berg. Bei der Schlägerei gab es auf beiden Seiten Schwerverletzte. Die Annahme, der Überfall sei von der Stasi mitinitiiert worden, konnte bislang nicht belegt werden. Fest steht jedoch, daß die Skinheads seither in der DDR kriminalisiert wurden.

Erstmals räumten das Politbüro und das Parteiorgan 'Neues Deutschland‘ offiziell ein, daß es auch im Realexistierendensozialismus randalierende Skinheads gebe. Die Folge: Zwölf der beteiligten Skinheads wurden wegen Rowdytums zu drakonischen Haftstrafen verurteilt. Nur einer, von dem es heißt, er habe für die Stasi gearbeitet, war kurz nach dem Urteil wieder frei. Gleichzeitig setzte eine staatlich verordnete Hatz auf unbeteiligte Männer und Frauen mit kahlgeschorenem Kopf oder sehr kurzen Haaren ein. Sie wurden von der Vopo stundenlang festgehalten und verhört.

Das alles jedoch kam im gestrigen Prozeß vor dem Jugendschöffengericht nicht zur Sprache. Auf der Anklagebank saßen zwei kurzgeschorene, bullig wirkende Männer im Alter von 22 und 24 Jahren und eine langmähnige, eher hippyhaft aussehende 22jährige Frau. Die drei waren mehrere Jahre nach der Strafanzeige des Pfarrers der Zionskirche und einem Rechtshilfeersuchen der DDR-Generalstaatsanwaltschaft von der Westberliner Kripo als Mittäter bei dem Überfall ermittelt worden. Laut Anklage sollen sie sich zusammen mit rund zehn anderen unbekannt gebliebenen Westberlinern und 50 Ostberliner Skins an der Schlägerei beteiligt haben. Der 24jährige Westberliner Angeklagte Martin Sch., genannt Bomber, soll sich besonders hervorgetan haben, indem er die Ostberliner mit den Worten anführte: »Ich werde euch zeigen, wie man in Westberlin Punks aufmischt.«

Der Prozeß gegen die drei wurde nach kurzer Verhandlung unter Ausschluß der Öffentlichkeit eingestellt. Die Begründung des Jugendrichters Wieland Uffrecht: In der langen Zeit, die seit der Tat verstrichen sei, hätten sich die drei Angeklagten positiv entwickelt. Der Frau und dem 22jährigen Mann wurde eine Geldbuße von 500 beziehungsweise 1.500 Mark auferlegt. Das Verfahren gegen den sogenannten Bomber stellte das Gericht in Hinblick auf eine 1989 ergangenene Jugendstrafe ganz ein: Bomber war damals wegen Körperverletztung verurteilt worden. Die zwölf Ostberliner Skinheads waren 1987 und '88 zu Haftstrafen zwischen 15 Monaten und vier Jahren verurteilt worden. Die milder ausgefallenen Strafen der ersten Instanz waren nach einem Proteststurm im 'Neuen Deutschland‘ in der Berufungsverhandlung drastisch verschärft worden. Der besonders schwere Überfall, so der Vorsitzende Richter Ziegler, charakterisiere eine neue Form der Kriminalität in der Hauptstadt der DDR. plu

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen