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Auflösung auf italienisch

Rom (taz) — Das Ende der Legislaturperiode stellt die italienische Nation vor unlösbare denkerische Probleme.

Die Sache scheint, dem Normalbürger zumindest, doch recht einfach: der Staatspräsident löst das Parlament auf, dann wird ein neues gewählt, und das nimmt irgendwann seine Arbeit auf. Also richteten sich die Italiener nach dem Auflösungsdekret des Staatspräsidenten Anfang Februar auf einen politisch zwar heftigen, aber sonst normalen Fortgang der Dinge bis zur Neuwahl am 5. und 6. April ein. Doch da war der eigene Staatschef vor. Er, der unerschöpflich Pickelschläge gegen das von ihm zu vertretende demokratische Sytem austeilt, wollte mal eben ausprobieren, was man mit dem Wort „Auflösen“ so alles verbinden kann.

Aufgelöst, sagt Präsident Cossiga, heißt gleichzeitig Aufhebung aller Kompetenzen. Insofern dürfen nach der Auflösung des Parlaments weder Ausschüsse tagen noch Gesetze verabschiedet werden. In vergangenen Zeiten hatte es darüber insofern keinen Streit gegeben, als mit Beginn des Wahlkampfes sowieso keiner mehr in Rom weilen mochte, sondern seine Wahlkreise bearbeitete. Damit aber den entlassenen Volksvertretern klar wurde, was er mit „Auflösen“ meinte, machte Cossiga die Probe aufs Exempel: Er schickte mehrere Gesetze, die von beiden Häusern rechtskräftig verabschiedet worden waren, ans Parlament zurück (eines wegen mangelnder Deckung, ein anderes wegen verfassungsrechtlicher Bedenken). Da eines davon die Kriegsdienstverweigerung betraf — die neuerdings der katholischen Kirche sehr am Herzen liegt und somit äußerst wählerwirksam ist —, machten sich Deputiertenkammer und Senat ärgerlich, aber entschlossen daran, die Gesetze erneut zu beraten — und sahen sich sofort vom obersten Chef gestoppt: Nichts da, sagte der, aufgelöst seid ihr, und damit bleibt ihr zu Hause. Über die Gesetze kann das kommende Parlament beraten.

Seither ist der Teufel los: Keineswegs sei das Parlament mit der Auflösung ohne Kompetenz, erwiderte Regierungschef Andreotti seinem seit langem mit ihm verfeindeten Staatschef (beide übrigens Christdemokraten): Die Verfassung bestimme, daß das alte Parlament im Amt bleibe, bis das neue seine konstituierende Sitzung abhalte. Cossiga replizierte indigniert: auch er könne lesen — aber in der Konstitution stehe nur „im Amt bleiben“, und das bedeute lediglich „ordinäre Verwaltung“, nicht aber Gesetzgebung. Andreotti, listig wie immer, fand sofort einen Gegenparagraphen: das Parlament könne sich, so die Verfassung, „jederzeit“ selbst einberufen, mit einem Drittel der Abgeordnetenstimmen — und wozu solle es sich als gesetzgebende Körperschaft einberufen, wenn nicht zum Gesetzgeben? Also sammelte er, im Einklang mit der auf Cossiga sowieso bösen Opposition, Unterschriften für eine Selbsteinberufung des Parlaments. Cossiga sah sich die Unterschriften an und sagte erneut No: die Unterschreiber seien ja zum großen Teil Leute, die nicht einmal mehr kandidieren. Und die wollen gesetzliche Weichen für die Zukunft stellen? Verfassungswidrig, behauptete Cossiga.

Andreotti blieb dabei: auch ausscheidende Parlamentarier seien Parlamentarier, bis die neuen Kammern gewählt sind. Denn, so der Regierungschef — „wären wir mit dem Auflösungsdekret nicht mehr Parlamentarier, könnte ich auch nicht mehr Regierungschef sein, denn der muß aus der Mitte des Parlaments gewählt werden“. Cossiga bedankte sich: Seither räsonniert er öffentlich herum, wann Andreotti seinen Rücktritt einzureichen habe.

Kompromißvorschlag des christdemokratischen Parteipräsidenten Ciriaco De Mita, der Cossiga wie Andreotti gleichermaßen nicht leiden kann: „Sollen doch beide gehen, dann ist Ruhe.“ Werner Raith

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