: Fachmessen statt Leipziger Allerlei
Westliches Messe-Know-how, viel Politprominenz und schlappe Besucherzahlen: Die Leipziger Frühjahrsmesse ist mit ihrem neuen Konzept trotz Durchhalteparolen noch nicht aus dem Schneider ■ Aus Leipzig Nana Brink
Allen Unkenrufen zum Trotz, die Leipzig keine Chance gegenüber den etablierten Messeplätzen einräumen, waren die Veranstalter mit dem Verlauf der Frühjahrsmesse zufrieden. Immerhin fand die westdeutsche Wirtschaftsprominenz, allen voran Tyll Necker vom Bundesverband der Industrie, doch noch den Weg zur traditionellen Frühjahrsmesse. Und auch die Eröffnung durch Bundespräsident Richard von Weizsäcker begrüßten besonders die ostdeutschen Aussteller als Aufwertung des Standortes. Die Unterstützung der Leipziger Messe durch den Westen, sagte Necker, „könnte man als den Egoismus der Weitsichtigen bezeichnen“.
Den Weitsichtigen unter den knapp 1.500 Ausstellern der Leipziger Frühjahrsmesse war jedoch schon nach dem flauen Messestart in der vergangenen Woche klar, daß man beide Augen zudrücken muß, um von einem wirklichen Erfolg zu sprechen: 51.000 BesucherInnen zählten die Messeleute während der sechstägigen Ausstellung, gegenüber 150.000, die im vergangenen Jahr die Universalmesse besucht hatten. 84 Prozent der diesjährigen Messegäste waren Fachbesucher, der gewohnte Ansturm des „interessierten Publikums“ blieb jedoch aus. Auch Leipzigs Image als Fenster zum Osten hat gelitten: Lediglich 1.500 Geschäftsleute aus Ost- und Südeuropa kamen an die Pleiße.
„Wir möchten schon wiederkommen“, sagte Siemens-Standleiter Robert Jäckel, bemühte aber wie der Sprecher von Asea Brown Boveri (ABB) die „politische Verantwortung eines Großkonzerns unseres Kalibers“ zur Begründung. Kein Zweifel, die Messepräsenz war eher ein Politikum als eine wirtschaftliche Rechnung.
Die Leipziger Messe GmbH hat im letzten Jahr gewaltige Anstrengungen unternommen, ein neues Konzept für die totgesagte Universalmesse zu finden. Fachmessen statt Leipziger Allerlei heißt nun die Devise. Obwohl noch mit dem mißverständlichen Namen „Frühjahrsmesse“ versehen, präsentierte sich ein Verbund von vier Fachmessen: „Dialog '92“, die „Informationsmesse zur sozialen Marktwirtschaft“, „Unitec“, die Messe für Industrietechnik, „Terratec“, die Messe für Umwelttechnik und die „Translogo“, die Messe für Verkehrstechnik. Die Aussteller auf den drei technischen Messen bezeichneten die Stimmung mehrheitlich als „zufriedenstellend“ und lobten, daß „man es hier hauptsächlich mit interessierten Fachbesuchern zu tun hat“; konkrete Geschäftsabschlüsse habe man allerdings in den wenigsten Fällen erzielen können. „Viele der mittelständischen Unternehmen suchen einfach nur einen Rat oder den Kontakt zu westlichen Firmen“, erzählt Siemens-Sprecher Jäckel. Der Weg zur zielgruppenorientierten Fachmesse scheint noch weit, und keiner der Messeaussteller aus dem Westen läßt einen Zweifel, daß „die Musik in Hannover spielt“ — auf der CeBIT, die gestern eröffnet wurde, und der Hannover Messe Industrie, die am 1. April beginnt.
Bitter muß den Messeleuten aufstoßen, daß die „Drehscheibe“ Ost/ West nicht wie in alten Zeiten rotierte. Von den rund 1.500 Ausstellern kamen gerade 50 aus dem Osten. Der ehedem sowjetische Pavillon, ein poststalinistischer Protzbau par excellence, stand leer und symbolisierte inmitten der aufgebauten Kräne und Gabelstabler bildhaft das Desaster: Lediglich ein Aussteller aus der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten kratzte die nötigen Devisen für die Messepräsenz zusammen. Immerhin kann sich die Messeleitung einen Erfolg auf die Fahnen schreiben. Per Messeshuttle wurden 10 Regierungsdelegationen aus Moskau, St. Petersburg, Tallinn, Kiew, Riga, Vilnius und Budapest eingeflogen.
Als die „Kunst der kleinen Schritte“ definierte die Leipziger Messechefin Cornelia Wohlfarth abschließend die Pionierleistung ihres Teams, das Monster Universalmesse mit jährlich 600.000 Besuchern zu entflechten. Zu DDR-Zeiten war der Leipzig-Besuch praktisch Pflicht für alle, die Geschäfte in Osteuropa tätigen wollten. Das neue Fachmessenkonzept bleibt allerdings ein Vabanquespiel, weil das wirtschaftliche Umfeld, ein florierender Mittelstand, fehlt, der die Basis für Regionalmessen bilden könnte. Da nützen auch keine „Go Leipzig“-Rufe: Ob die Aussteller nächstes Jahr wiederkommen werden, ist angesichts der jetzigen Besucherzahlen durchaus fraglich.
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