DURCHS DRÖHNLAND: Das Filzhütchen tanzen lassen
■ Die besten und schlechtesten, die wichtigsten und unwichtigsten Konzerte der nächsten Woche
Fast so etwas wie eine Supergroup des Reggae waren Black Uhuru seit dem Entstehen der Band in den mittleren 70ern. Sly Dunbar und Robbie Shakespeare begannen als Rhythmusrückgrat von Black Uhuru ihren Aufstieg an die Hummerbuffets, eine Unzahl von Vokalisten durchlief die Band, allesamt vorher und/oder nachher Reggaestars. Über all die Jahre prägten Black Uhuru mehr noch als Bob Marley oder Peter Tosh das Klangbild des klassischen Reggae, gerade weil sie personell nie festgelegt waren, fast zu einer amorphen Masse verschmolzen, die einzelne Solisten nutzten. Auch auf der letzten Platte Iron Storm entfernen sie sich keinen Millimeter von den eigenen Vorgaben. Der träge Off-Beat, Bläser und harmonische Gesänge beherrschen die Szene. Keine Spur von Toasting oder Dub-Rhythmen. Man könnte sie für konservativ erklären — oder, gutwilliger, sie für die einzigen Überlebenden, die letzten Sachwalter der immer noch erfolgreichsten Phase des Reggae halten. Immer noch liegt das Heil in Afrika, immer noch ist Jah der Größte und immer noch wird agitiert. Immer noch ist der Rastaman und die diffuse Ideologie, die sich mit Dreadlocks und Ganja verbindet, die Heilslehre, der sie anhängen: »A true Rastaman no have conviction/ Full of love no corruption/ Show the world what he can/ That's the nature of a rastaman.« Bleibt die Frage, ob Kiffen in Jamaika immer noch ein solches politisches Statement ist wie vor fünfzehn Jahren, oder ob Black Uhuru nur Revivalgelüste befriedigen. Die zu erwartenden Schwaden kann man jetzt schon schmecken.
Am 20.3. um 20 Uhr im Quartier, Potsdamer Straße 96, Tiergarten
Wer wieder einmal das Filzhütchen tanzen lassen will, findet auch dieses Wochenende sein Konzert. Die Turned Around Turtles sind eine Kapelle in stattlicher Besetzung (zwölf Frau- und Herrschaften), mit den satten Bläsern und dem richtigen Ska-Drive. Daß sie auf Platte oft zu sauber und glatt produziert werden, aber dafür live die Sau rauslassen, teilen die Wiesbadener mit den meisten anderen Ska-Bands.
Am 21.3. um 22 Uhr im K.O.B., Potsdamer Straße 157, Tiergarten
Vielleicht liegt es daran, daß Thirteen Days ein Trio sind. Vielleicht auch nur daran, daß mich die Stimme von Robert Dogg an die von Sting erinnert. Gefreut hab' ich mich nicht unbedingt darüber. Dabei sind 13 Days wesentlich rockiger als Police je waren, manchmal schon Schweineblues, manchmal auch mit einer angestrengten Lässigkeit, die vielleicht an Lou Reed erinnern soll. Vielleicht, vielleicht, aber eigentlich interessiert mich viel mehr die Frage, warum eine Band wie Police so gar kein Epigonentum nach sich gezogen hat. 13 Days selbst sind übrigens gar nicht schlecht, auch wenn das selbstbetitelte Debütalbum der Kanadier einige Längen aufzuweisen hat. Trotzdem gute Rockschaffe, die manchmal ins Düstere lappt.
Am 21.3. um 22 Uhr auf der Insel, Alt-Treptow 6, Treptow
Ziemlich zeitgleich mit Deathmetal entstand Grindcore, ein noch gemeineres Herantasten an die Extreme. Wäre man bösartig, könnte man ein Grindcorestück auch als einzigen gewaltigen, über alle Maßen verstärkten Rülpser bezeichnen. Angeblich sollen Grindcore-Singles existieren, auf denen sich sechzig Stücke in entsprechender Kürze versammeln. So etwas wie die Paten von Grindcore sind Carcass, die vor allem durch ihre gerne zensierten Cover Berühmtheit erlangten. Dabei ist es eine Laune des Schicksal, daß die Herren, die gerne zerstückelte und zerquetschte Leichenteile auf ihre Plattenhüllen drucken lassen, durch die Bank Vegetarier sind. Ruhiger sollen sie auch geworden sein. Die Grenzen zwischen Death und Grind waren und sind allerdings eh fließend, und so kommen Carcass mit den schwedischen Deathmetallern Entombed auf Tour, die wiederum die angeblich beste DM-Band Skandinaviens sind. Außerdem dabei sind mit Cathredal und Confessor auch keine Unbekannten, so daß der definitive Abend für Hörgeschädigte und solche, die es werden wollen, bevorsteht.
Am 21.3. um 20 Uhr in Huxley's Neue Welt, Hasenheide 108-114, Kreuzberg
Die Red Hot Chili Peppers haben nun endlich erreicht, was sie schon immer wollten. Reich und berühmt sein, der ganzen Welt dumme Grimassen schneiden, für Nike hinter Andre Agassi rumturnen und sich von klasseguten schwarzen Bands supporten lassen. Da inzwischen alle die Chili Peppers kennen, soll hier nur erwähnt werden, daß unser aller Lieblingsrohkostler Henry Rollins nicht als Vorgruppe erscheinen wird, sondern statt dessen Family Stand, die einen zeitgemäßen Stilmischmasch aus Soul, Funk, Gospel, halbharten Dancebeats und wenigen Metaleinflüssen zum besten geben.
Am 22.3. um 20 Uhr in Die Halle, An der Industriebahn 12-16, Weißensee
Stellen Sie sich vor, Slade hätten eine Schwäche für Funk auf der einen und Metal auf der anderen Seite. Oder Slade wären einfach zwanzig Jahre später geboren. Scatterbrain schließen eine weitere Lücke im Crossovertaumel. Hervorgegangen sind die New Yorker aus der Hardcore-Formation Ludichrist, und zu eigen ist ihnen ein gnadenlos dämlicher Humor. Sie covern Mozart, lassen als Gastvokalist Joe Frazier, den ehemaligen Boxweltmeister, brillieren, widmen einen Song allen Kneipiers dieser Erde oder analysieren die Eintönigkeit des Radios: »Safe and simple like a game/ Pumping out the same old same/ Repetitive regurgitation/ It's the Pepsi generation«. Kein Thema ist ihnen zu blöde, kein Gitarrensound zu ausgelutscht, nichts zu überflüssig, um es nicht zu integrieren. Aber genau das macht sie gut, so gut, daß ihnen der 'Metal Hammer‘, das Zentralorgan für musizierende Hohlköpfe, bestätigte: »Scatterbrain sind wirklich eigenständig«. Darauf kann man doch stolz sein?
Am 24.3. im Huxley's Junior
Als die Missing Foundation das letzte Mal in Berlin waren, konnte man Tage vor dem Konzert überall ihr gesprühtes Logo, ein auf den Kopf gestelltes Cocktailglas (angeblich ein Symbol aus der Prohibition, das die Polizei an die Türen geschlossener speakeasies anbrachte), entdecken. Von unten, durch Flüsterpropaganda wurden Missing Foundation ein Ereignis, dem das Konzert in nichts nachstand. Missing Foundation sind Industrial Punks, so versiert in der Kunst des Lärmerzeugens, daß die Neubauten oder Laibach in den Charts ganz am richtigen Platz sind. Missing Foundation spielen selten zweimal am selben Ort, zu leicht können ihre Auftritte zur Performance mutieren, die alle Anwesenden miteinbezieht in ein gefährliches Spiel mit Industriemüll, Feuer, Metall. Missing Foundation sind (im Gegensatz zu anderen Lärmern) Politaktivisten, verwurzelt in der Hausbesetzerbewegung. Zwar äußern sie sich selten explizit politisch, aber in ihrem Fall ist das Medium die Message, ist der Sound, den sie aufführen, diese irrsinnige Collage aus allem, was Zivilisation so widerlich macht, die pure Revolte selbst. Vielleicht nicht unbedingt das beste, ganz sicher das wichtigste Konzert.
Am 26.3. um 22 Uhr im K.O.B.
Letzte Woche bereits kurz erwähnt und hier gleich noch mal: Die Alabama Kids aus Holland, womit wir auch schon wieder beim unvermeidlichen Kapitel Dinosaur Jr. wären. Die Alabama Kids treten ganz offen, ohne zu zögern, deren Nachfolge an, auch weil J. Mascis samt seinen Mannen auf der letzten Platte eher still agierte. Mehr wollen die Alabama Kids auch gar nicht und reihen sich damit in eine lange Tradition Hollands ein, das nicht zu selten die besten und perfektesten Adepten anglo-amerikanischer Vorbilder hervorbrachte. Auch schon erwähnt und auch Epigonen sind die Vorgruppe Lübke. Dazu gäbe es zu erzählen, daß sich Gitarrist Sven Schumacher beim damaligen Veranstalter über den notorischen Hüsker-Dü-Vergleich beschwerte und nach seiner Tirade abdrehte, was den Blick auf den lederbewehrten Rücken des Musikanten freigab, wo groß und mächtig »Hüsker Dü« prangte.
Am 26.3. um 21 Uhr im Trash, Oranienstraße 40-41, Kreuzberg
Thomas Winkler
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