piwik no script img

Der Hofmaler von Metropolis

■ Otto Bollhagen malte die Monumente des Maschinenzeitalters / Ausstellung

Otto Bollhagen: Das Hammerwerk der MAN Gutehoffnungshütte ion OberhausenAbb.: Katalog

Mit langen Zangen packen die Arbeiter doe rotglühende Eisenbahnschiene, die die Walze so

hierhin bitte das Bild

von der altertümlichen

Fabrikhalle

eben ausgespuckt hat. Die Werkhalle ist durchflutet von Sonnenlicht, weißer Rauch steigt auf. Eine Laufkatze schwebt unterm Hallendach. Dieses Idyll aus der Arbeitswelt ist nicht real, sondern ein Bild. Otto Bollhagen malte es in den Jahren 1911/12 in Rheinhausen.

Präzise sind die Arbeitsabläufe in dem Kruppschen Schienenwalzwerk wiedergegeben. Bollhagens Darstellung der Eisenkonstruktion, die das Hallendach trägt, ist so detailgetreu, daß ein Industriedenkmalpfleger ohne weiteres das Original rekonstruieren könnte.

Das Deutsche Schiffahrtsmuseum in Bremerhaven würdigt den wenig bekannten Industriemaler Otto Bollhagen derzeit in einer Sonderausstellung. Geboren 1861 im Mecklenburgischen, kam der junge Bollhagen 1886 nach Bremen. In Berlin hatte er zuvor eine Lehre als Dekorations- und Stubenmaler absolviert und nebenbei Kurse an Kunstgewerbeschulen besucht. In Bremen fand er Arbeit bei Malermeister Neumark, der schnell das Talent seines neuen Gehilfen erkannte.

Viele Patrizier der Hansestadt ließen sich in den „Gründerjahren“ ihre Villen pompös ausmalen. Entscheidend für Bollhagens Karriere war die Bekanntschaft mit dem Modearchitekten Johann Georg Poppe, dem Bremen unter anderem die „Wasserkunst“ an der Weser, die Villa Ichon am Goetheplatz und die „Waldbühne“ im Bürgerpark verdankt. Als Innenarchitekt schuf Poppe für den Norddeutschen Lloyd die plüschig-barockisierenden Sa

lons der Musikdampfer. Otto Bollhagen wurde sein kongenialer Dekorationsmaler.

1892 machte sich Bollhagen selbständig. Er war aber vorsichtig genug, neben der dekorativen Malerei auch Aufträge für gewöhnliche Malerarbeiten auszuführen.

Um das Jahr 1904 kündigte der Norddeutsche Lloyd Poppe und Bollhagen die Zusammenarbeit auf. Schwülstiger Pomp auf den Luxusdampfern war nicht mehr gefragt. Ludwig Muthesius etwa, später einer der Gründer des Deutschen Werkbundes, kritisierte, daß ausgerechnet die großen Passagierschiffsreedereien „in der Ausstattung ihrer Schiffe an den alten prätentiösen Imitationsstilen“ festhielten.

Bollhagen orientierte sich um. Er warf sich auf die Arbeit an monumentalen Darstellungen großer Industriebetriebe, die er „auf ein künstlerisches Niveau zu bringen“ versuchte. Monumentalität und Detailtreue kennzeichnen seine Bilder gleichermaßen. „Atelier für Gemälde und Zeichnungen von Hochperspektiven und Innendarstellungen großindustrieller Betriebe“ war fortan auf seinem Briefkopf zu lesen — und seine Rechnung ging auf.

Die Creme der deutschen Industrie zählte zu Bollhagens Kunden: Krupp, BASF, Merck, Borsig, AEG, Bayer, Mannesmann bestellten repräsentative Werksansichten oder ließen sich Jubiläums- und Festschriften illustrieren. Für Bremer Kunden malten Bollhagen und die künstlerischen Mitarbeiter seiner Werkstatt 1912 das Verwaltungsgebäude des Norddeutschen Lloyd (abgerissen zugunsten des Horten-Kaufhauses in den 60er Jahren), die Norddeutsche Hütte (heute Klöckner) und immer wieder die bremischen Häfen.

Bollhagens Industriebilder spiegeln etwas vom Pathos des Maschinenzeitalters. Die Ansicht des Bayer-Werks in Leverkusen etwa erscheint als kunstvolle, wohlgeplante und vernünftige Industrie-Metropolis aus Werkhallen, Schornsteinen, Werkeisenbahnen und baumbestandenen Alleen. Soziale Konflikte erscheinen in der sonnendurchfluteten Bayer-Welt ebenso undenkbar wie ökologische Folgen der Großchemie. Menschen sind Staffage, Landschaft ist Kulisse.

Gleichwohl verdienen Bollhagens Bilder — die Lars U. Scholl in Bremerhaven zum ersten Mal zu einer Einzelausstellung zusammenstellen konnte — als quasi-fotografische Dokumente hohe Beachtung. Günther Beyer

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen