: Am Montag beginnt das Chaos
■ Streik im öffentlichen Dienst immer wahrscheinlicher/ Große Zustimmung zeichnet sich ab
Berlin. Die Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes in West-Berlin sind streikbereit. Als erste Gewerkschaft legte gestern die »Deutsche Postgewerkschaft« (DPG) das Endergebnis ihrer Urabstimmung vor: über 95 Prozent befürworten Kampfmaßnahmen. Bei der Gewerkschaft »Kommunale Beamte und Arbeitnehmer« (KOMBA) wollen 90,4 Prozent streiken. Die Gewerkschaft »Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr« (ÖTV) wird erst heute früh in Stuttgart ihr bundesweites Gesamtergebnis bekanntgeben. Von der »Deutschen Angestelltengewerkschaft« (DAG), der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) und der »Gewerkschaft der Polizei« (GdP) lagen gestern bei Redaktionsschluß keine Zahlen vor. Allgemein wurde aber auch hier mit einer breiten Zustimmung zum Streik gerechnet.
Über die Dauer und Art ihrer Kampfmaßnahmen will die ÖTV erst heute die Öffentlichkeit informieren. Aller Voraussicht nach werden ab Montag die »Berliner Verkehrsbetriebe« (BVG) den Schwerpunkt des Streiks bilden. Der Vorsitzende der KOMBA, Klaus-Dietrich Schmitt, kündigte für diesen Tag Streikmaßnahmen bei der BVG und den Gartenbauämtern an. Sollte am Wochenende wider Erwarten doch noch ein Verhandlungsergebnis erzielt werden, sei im Bereich der BVG am Montag mit Verzögerungen zu rechnen. Schmitt: »Organisatorisch ist es nicht zu schaffen, die zum Teil langen Streikvorbereitungen von einem Tag auf den anderen abzubrechen«.
Auch bei der Post ist schon am Montag mit Verzögerungen zu rechnen. Wie der Berliner DPG-Vorsitzende Bernd Lindenau erklärte, werde der Streik zunächst beim Fernmeldeedienst beginnen. Bei der Fernsprechauskunft und -vermittlung, der Entstörungsstelle und der Bearbeitung von Fernsprechanträgen und -rechnungen seien Beeinträchtigungen zu erwarten. Im Laufe der Woche könnte das auf den Postdienst ausgeweitet werden.
Die »Berliner Stadtreinigungswerke« (BSR) rechnen frühestens am 1. Mai mit Kampfmaßnahmen. Diese sollen zunächst auf die Straßenreinigung beschränkt sein. Am 4. Mai folge dann die Müllabfuhr, am 7. Mai schließlich die gesamte BSR, erklärte gestern der Technische Direktor Georg Fischer.
Die GdP will am 29. und 30. April die Werkstätten einer Polizeidienststelle in der Friesenstraße bestreiken. Einen Streik am 1. Mai werde es »mit Rücksicht auf die Berliner Verhältnisse« nicht geben, so GdP-Sprecher Dieter Großhans gestern. Für diesen Tag wird in Kreuzberg mit Krawallen gerechnet. Auch in der Verwaltungszentrale des Senats am Fehrbelliner Platz soll es am Montag zahlreiche leere Stühle geben.
Pikant könnte es bei einem längeren Streik auch für die Kraftfahrer werden: Die für die Ampelschaltung zuständige Bauverwaltung vereinbarte vorsorglich einen Notdienst mit der Firma Siemens. Sie soll schadhafte Ampelanlagen reparieren. Schlimmer sähe es im Ostteil aus, wo die Ampelanlagen nicht über Rechner gesteuert werden: »Sollte es dort zu Solidaritätsaktionen kommen, müßten die Ampeln abgeschaltet werden«, erklärte gestern der Sprecher der Bauverwaltung, Ralf Schlichting. sev
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