piwik no script img

Das Prinzip Abkassieren

■ Finanzsenator will von Vereinen Miete für die Nutzung der Sportanlagen/ Heftige Proteste vom LSB

Berlin. Der Pressesprecher des Finanzsenators Pieroth verstand die ganze Aufregung überhaupt nicht, die die Pläne seines Chefs im Zusammenhang mit den Sportverein- Subventionen hervorgerufen hatte.

„Es geht ums Prinzip!“, sagte er und fügte hinzu, daß man in einer veränderten Situation Dinge auch mal anders angehen müsse. Die veränderte Situation, das sind die leeren Kassen der Stadt Berlin. Die anders anzugehenden Dinge sind die Vorteile, die Sportvereine bislang genießen. Sie können städtische Gelände billig pachten und die städtischen Sportanlagen kostenlos nutzen. Pieroth möchte nun von den Vereinen die ortsüblichen Mieten kassieren und jede Trainingsstunde von den Hallen- und Platznutzern bezahlt sehen.

Als eine „geradezu unverfrorene Attacke gegen den Sport“ bezeichnete Landessportbunddirektor Manfred v. Richthofen des Finanzsenators Pläne, Norbert Skowronek nannte sie eine „Köstlichkeit“ und befürchtete durch den weiteren Abbau des sportlichen Angebots eine zunehmende Radikalisierung der Jugendlichen.

Die Opposition hatte sich formiert, aber wogegen? Die Überlassung stadt- beziehungsweise landeseigener Grundstücke und Sportstätten gehört zu den normalen kommunalen Aufgaben. Das billig gepachtete Land ermöglicht es den Vereinen, eigene Sportanlagen zu bauen, die kostenlose Nutzung städtischen Eigentums ist Voraussetzung für geringe Mitgliedsbeiträge; im Kinder- und Jugendsport ein sehr wichtiger Faktor. Die meisten Vereine können sowieso nur durch Subventionen am Leben gehalten werden. Pieroths Sprecher begründete den Schritt des Senators denn auch mit einer „Offenlegung der bisher verdeckten Subventionen“, die mehr Transparenz in die Verwaltung bringen würde. Vereine, die die ortsüblichen Mieten zahlen müssen, werden weiterhin unterstützt. Auf diesem Wege hofft man herauszufinden, welcher Verein der Zuschüsse nicht mehr bedarf, weil er sich selbst tragen kann. „Ein erhöhter Mehraufwand in der Verwaltung ist nicht gegeben“, sagte er, das Ganze sei bloß eine „Sache der Buchungstechnik“. Eine Auffassung, der der LSB-Sprecher Bothe energisch widerspricht. „Es handelt sich um einen Versuchsballon des Finanzsenators“, sagte er, denn der Sport habe bislang kein Verständnis für die Mittelkürzungen gezeigt. Es sei doch sehr merkwürdig, daß ausgerechnet zu diesem Zeitpunkt, wo die Verwaltung dringende Probleme zu lösen habe, sie noch zusätzliche, verschiebbare Arbeit aufgehalst bekommen soll. „Wer soll darüber entscheiden, welche Vereine sich selbst tragen können? Welche Kriterien sollen da angelegt werden? Was passiert in einem Club, dessen Tennisabteilung Gewinn abwirft, das Turnen aber subventionsbedürftig ist?“ fragt er.

Seine Auffassung, daß es um mehr geht, bestätigt ein Blick auf die Zahlen. Rund 2.000 Sportstätten gibt es in Berlin Ost und West, jede wird für rund 20 Übungsstunden genutzt, das sind in der Woche 40.000 Termine. Bei einem angenommenen Tarif von 15 DM pro solcher Einheit ergeben sich pro Woche Einnahmen von 600.000 DM, eine Summe, die den Pieroth- Vorschlag schon in einem anderen Licht erscheinen läßt. Rechnet man diesen Betrag aufs Jahr hoch, nimmt dabei noch vorsichtig 40 Wochen Nutzung an (der Rest fällt in die Schulferienzeit), dann kommen wir nach ziemlich viel Kopfrechnerei auf ziemlich viel Geld: 24 Millionen Mark ließen sich so erwirtschaften, mit denen man eine Menge schöner Vorhaben ausführen könnte — Stadtautobahnen ausbauen beispielsweise.

Was die Erhöhung der Qudratmeterpreise von derzeit etwa 30 Pfennig auf „ortsübliche Vergleichsmieten“ da erst bringen würde? Auf jeden Fall eine saftige Erhöhung der Mitgliedsbeiträge, etwas, worauf die Vereine im Osten der Stadt gerade noch gewartet haben. Elke Wittich

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen