: Passable Unterhaltung
■ Mittermayrs Fernsehfilm „Im Dunstkreis“, Mo., 19.30 Uhr, ZDF
Wann immer sich ein Sender anschickt, einem akuten gesellschaftlichen Problem in Form eines Fernsehspiels zu Leibe zu rücken, steht meist Arges auf dem Programm. Hemmungslos unbedarftes Betroffenheits-Gesäusel, das vielfach unfreiwillige Komik verbreitet und für das man „engagierten“ Redakteuren den Trostpreis des „Gutgemeinten“ zuzubilligen pflegt. Wer von dem Film von Berthold Mittermayr (Regie) und Thomas Braun (Buch) Derartiges befürchtet hatte, wurde angenehm überrascht. Wer allerdings eine „fundierte Abhandlung“ des Problems (Ausländerfeindlichkeit, Neonazismus etc.) erwartet hatte, wurde bitter enttäuscht.
Denn trotz des martialischen Untertitels („Verführt durch Haß“) bewegte sich die Zeichnung der dumpfen Nazihorde vorwiegend am Rande der Karikatur („Heil, Cola- Rum“), und was die einzelnen pubertierenden „Kameraden“ da scharenweise zu ihrem schmierigen „Führer“ trieb, blieb mehr als rätselhaft. So gesehen, kam der Neonazismus allenfalls als singuläres Problem eines liberal gesonnenen Ehepaares mit seinem aufmüpfigen Sprößling daher. Wäre nicht gerade dieses Thema aktuell, hätte das Drehbuch den Sohnemann auch ebensogut in die Fixerszene abrutschen lassen können, ohne daß man die Dramaturgie gravierend hätte verändern müssen.
Auch das Porträt der Akademikerbeziehung kurz vor der Midlife- Crisis fiel nicht sonderlich überzeugend aus. Papi ein salopper Kunstpädagoge, der gern Rotwein trank und in der Schule sein Jackett respektlos über das Konterfrei von Waldheim hing. Seine Gattin, Übersetzerin schöngeistiger Werke, präsentierte sich mal als treusorgende Mutter („Fahr nicht so wild und verkühl dich nicht!“), lief bei der Anti- Nazi-Demo dann plötzlich heftig skandierend vorneweg und glänzte schließlich (mit „Beastie-Boys- Kappe“!) als tollkühne Fluchtauto- Pilotin ohne Furcht und Tadel. Dank respektabler Darstellungsleistungen (Günther Maria Halmer, Silvia Reize) strotzte das Ganze zwar nicht gerade vor Peinlichkeiten, kam jedoch über die landläufigen Klischees selten hinaus.
Daß Regisseur Mittermayr aus all diesen Unzulänglichkeiten noch einigermaßen passable Fernsehunterhaltung machte, lag einzig an seinem Gespür für wirkungsvolle Effekte (inklusive der dräuenden Twin Peaks-Klänge) und einem soliden Spannungsaufbau bis zum großangelegten Showdown mit so gerade noch verhindertem Happy-End. Summa summarum: Es gibt fraglos bessere „problemorientierte“ Fernsehspiele, man hat aber auch schon weit Schlimmeres gesehen. Reinhard Lüke
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen