INTERVIEW: „Das richtige Signal an das Verfassungsgericht"
■ Uta Würfel, frauenpolitische Sprecherin der FDP, über den Kompromiß beim Paragraph 218
taz: Frau Würfel, es ist Ihnen anzusehen, daß sie über den Kompromiß sehr froh sind. Wo mußte denn die FDP nachgeben?
Uta Würfel: Bei der Straffreiheit der Frau. Wir haben uns bei unserer Rechtskonstruktion gedacht, daß es richtiger wäre, die Straffreiheit der Frau bis zur 22. Woche nicht mehr zuzulassen. Insofern beinhaltete der FDP-Gesetzentwurf eine Verschärfung, er ging hinter geltendes Recht zurück. Wir hielten das für das richtige Signal an das Verfassungsgericht: Es hätte die Fristenregelung möglicherweise sicherer gemacht. Aber wie Sie wissen, wollte die SPD die Straffreiheit der Frau praktisch bis ultimo und so ist es in ihrem Gesetzenwurf auch verankert.
Also sind Sie in dieser Frage einen Schritt zurückgegangen?
Ja. Das haben Verhandlungen so an sich, daß man auslotet, wo ist Bewegungspielraum, wo kann sich der Partner nicht bewegen. Das war bei uns bei den sozialen Maßnahmen der Fall. Wir können bei der Haushaltslage und der Finanzsituation der Krankenkassen allzu große Volumen einfach nicht vertreten. Deshalb konnte so mancher Wunsch, den die Frauen über alle Fraktionen hinweg hatten, nicht erfüllt werden.
Sie haben immer gesagt, daß Sie Kompromisse auch in Richtung CDU suchen. Sie haben jetzt auch CDU-Frauen unter dem Gruppenantrag. Halten Sie es für möglich, daß das Entgegenkommen gegenüber der SPD in der Straffreiheitsfrage die Möglichkeiten auf der anderen Seite erschwert?
Es war wichtig, auch schon während der Verhandlungen mit der SPD die CDU-Kollegen einzubeziehen. Da die 22-Wochen-Regelung geltendes Recht ist, hatte ich keine Bedenken, die Kolleginnen und Kollegen von der CDU um Zustimmung zu bitten. Für die Bedürfnisse der CDU ist der 219 maßgeblich umgestaltet worden. Dies bedeutet konkret, daß bereits in den ersten beiden Sätzen darauf hingewiesen wird, daß die Beratung unter dem Aspekt der Würdigung und der Achtung vor dem vorgeburtlichen Leben stattfindet. Dies drückt umgekehrt die Mißbilligung der Tötung aus, und das war für die CDU-Kollegen immens wichtig. Diese Passage ist nun wiederum nicht sehr leicht für die Sozialdemokraten.
Diese Passage ist auch für die Mehrheit der Frauen in unserem Land schwierig. Wie beispielsweise die Umfragen der Frauenzeitschriften zeigen, votiert die Mehrheit für eine schlichte und klare Fristenlösung. Die Beratung schränkt die Selbstbestimmung der Frau erheblich ein.
Ja, es ist richtig, daß die veröffentlichte Meinung sich niederschlägt in dem Wunsch, die Beratung nicht verpflichtend zu machen. Unser Verfassungsgericht hat allerdings vor 15 Jahren überdeutlich zum Ausdruck gebracht, daß die Beratung der Dreh- und Angelpunkt jeder Regelung zu sein hat. Da ich von Spiegelfechterei nichts halte und wirklich gewillt bin, einen Gesetzentwurf zu verabschieden, der vor dem Verfassungsgericht Bestand hat, war ich letztlich geneigt zu sagen: Dieses Opfer kann erbracht werden von den Frauen, die in ihrer Meinungsbildung sehr gefestigt sind. Ich finde, daß es nicht schaden kann, sich vor einem Abbruch beraten zu lassen, um in Kenntnis aller Fakten eine Entscheidung zu treffen. Viele Frauen wissen zum Beispiel gar nicht, welche Rechtsansprüche sie haben.
Wir kennen das Problem, daß die Beratung in den südlichen Bundesländern sehr restriktiv ist, während es im Norden liberaler zugeht. Sehen Sie eine normierende Wirkung des neuen Gesetzes?
Bundesrecht bricht Landesrecht. Es wird in Zukunft möglich sein, daß pro familia oder andere Beratungsträger gegen das Land klagen können, in dem sie sich nicht niederlassen dürfen. Das Gesetz sieht ja vor, daß flächendeckend Beratungsstellen da sein müssen, daß die Beratung von Fachkräften durchgeführt werden muß und daß darüber hinaus auch bei der Vermittlung von staatlichen Hilfen Fachkräfte beteiligt sein müssen.
Die Stimmen von SPD und FDP reichen nicht für eine parlamentarische Mehrheit. Glauben Sie, daß sie vor der Sommerpause diese Mehrheit aus allen Gruppen zustandebringen?
Ja. Ich hatte von Anfang an deutlich Signale, daß vor allem die Kolleginnen und Kollegen aus dem Osten zu ihrem Wahlversprechen stehen wollten, daß sie nicht hinter das geltende Recht zurückgehen. Die kostenlose Abgabe von Verhütungsmitteln, wenn auch nur bis zum 20. Lebensjahr, ist für die Ostkolleginnen sehr wichtig. Auch wenn weitere Namen heute nicht genannt worden sind, war doch zu merken, daß eine nennenswerte Anzahl aus der CDU hinter diesem Gruppenantrag stehen wird.
Hatten Sie Kontakt mit der Frauenministerin?
Ich erhoffe mir, daß Frau Merkel den Inhalt des Antrags prüfen wird. Ich weiß, daß ihre Situation ganz und gar nicht einfach ist. Aber eine Prüfung hat unser Antrag sicher verdient. Interview: Tissy Bruns
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