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Zanki, große Stärke

■ Rückgriffe voller Spaß: Edo Zanki mit neuer Platte auf Tournee

Kein Popsänger in diesem Land singt so schwarz, keiner groovt so unverkrampft, keiner jault und stöhnt so verspielt wie Edo Zanki. Aber auch kaum einer ist so lange so relativ unbekannt geblieben. Der gebürtige Jugoslawe pflegt weder das Image des „aufrichtigen“ Arbeiters wie der Überkolben Maffay, noch gibt er gute Studienratschläge wie Kunze oder Grönemeyer. Er macht uns auch nicht den Spießbürger als schmierigen Stecher wie Westernhagen. Edo Zanki kann einfach was.

Doch für sein Metier, das Singen zu einer Musik, die Soul und Rhythm and Blues mit dem Schlager versöhnt, gibt es keinen Platz in den heimischen Medien — auch wenn die Anhängerschaft des vierzigjährigen aus Karlsdorf im Süddeutschen längst über den kleinen Kreis von Friseusen und Berufsmusikern hinausgewachsen ist. Okkupiert werden die Wellen und Kanäle von den schlechten Darstellern des teutschen Ethno- Pop, der synthetischen „Volksmusik“. Deren Dauerpräsenz in Funk und Fernsehen ist gesichert durch langlaufende Millionenverträge, und nebenan verkaufen Reim, Carpendale und Kaiser schlecht getarnte Marschrhythmen.

Ohne Bildschirmpräsenz ist es schwer heutzutage — nicht umsonst sind die einzigen beiden deutschen Top-Acts, Grönemeyer und Westernhagen, vor ihren Musikkarrieren Schauspieler gewesen. Doch Edo Zanki war bislang noch nicht einmal als Leiche im Tatort zu sehen. Und als Coverman gibt der Vollbart-Träger mit Bauchansatz auch nicht viel her. So wird Edo Zanki weiter seine Touren durch die mittelgroßen Hallen der Republik machen, immer regelmäßiger Schallplatten herausbringen und seinen Kollegen als Komponist und Produzent zur Hand gehen. In Charthöhen vorgedrungen sind bislang wohl nur das Liebeslied Uns bleibt die Nacht (1990) und der Dschungelgassenhauer Gestern nacht war ich in Afrika (1983).

Nun hat Zanki, der es einst auch schon mit Jazz, echtem deutschem Schlager oder der englischen Sprache versucht hat, seine vierte deutsche Pop-Platte vorgelegt: Ich muß verrückt sein. Sie knüpft an die eher tanzbaren Alben Wache Nächte und Ruhig Blut an, und ist weniger balladenlastig; die Stücke sind wieder stärker durcharrangiert. Da wird beim Titelsong Ich muß verrückt sein tief in die Tasten der guten alten Schweineorgel gegriffen, die Damen vom Chor kreischen milde, und im Hintergrund grummelt es nutbushig. Doch die Seventies scheinen mehr als durch, echtes Blech kommt zum Einsatz und durch den dichten Tambourinvorhang des Intros von Dein Stück vom Himmel treten wir ganz entspannt auf die Straßen von San Francisco, aus der Musikbox grüßt Herr Hendrix. Rückgriffe voller Spaß, die sich einpassen, keine ernsthafte Reanimation zur falschen Zeit, kein falscher Schweiß. Ganz daneben gehen dagegen das gut gemeint depressive Trauerlied Ohne Dich und die Allerweltsballade Wie gut. Tausendmal gehört. Auffällig ist bloß die Textzeile „Ich koch' fantastisch, und ich küß ganz gut/ Du bist der Glückspilz, der mich kriegen tut“.

Überhaupt klappt es mit den Texten von Edo Zanki so manchesmal nicht. Das strapazierende Motiv vom Feuer (Streichholz, Glut etc.) hat schon fast Tradition, das „Leben aus zweiter Hand“ ist nur eine Second-Hand-Formulierung unter weiteren, wie die Titel „Zieh Dir was Verruchtes an“ oder „Diese Welt, die einem Käfig gleicht“. Als Entschädigung dafür gibt es aber gute Ideen wie den kurzen Musikantenstadl-Auftakt des Funk-Stückes Glaubst Du mir jetzt oder die sich langsam aufbauende Orgeltreppe von Mehr und Mehr. Ganz am Schluß zeigt Edo Zanki noch einmal seine große Stärke. Ohne jede Albernheit zerdehnt er beim Singen ganz undeutsch die deutsche Worte, setzt Betonungen dort, wo sie überhaupt nicht hingehören, damit sie auf die Rockmusik passen. Andere haben dies hierzulande nur unter Zuhilfenahme irgendwelcher kruden Dialekte hingekriegt. Mal heult Zanki fast, mal schreit er ein wenig, mal fällt er tief in den Baß. Aber singen tut er immer. Hans-Hermann Kotte

Edo Zanki, Ich muß verrückt sein. WEA. Ab 27. Mai ist Zanki zwische Freiburg und Halle, Frankfurt und Hamburg auf Tournee.

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