: ITALIENS GESETZ ZUR EIGENANZEIGE EXOTISCHEN BESITZES GERÄT ZUR SATIRE
Haarige Konfusion
Rom (taz) — Feldwebel Russo von der Forstpolizei am Circeo-Park südlich von Rom hält abwehrend die Hände vor die Brust: „Bleibt mir bloß vom Leib“, schreit er die Anstehenden an, „seid ihr denn alle verrückt geworden?“ Der Eindruck ist in der Tat nicht leicht von der Hand zu weisen: Da stehen mitten im Sommer Frauen im Leopardenmantel neben Bauern, die ein Einmachglas mit zwei Bienen darin halten, ein Mädchen hat eine Schildkröte dabei, eine Alte zeigt eine abgeschabte Krokotasche vor, ein Mann hält Ziegenschuhe hoch. Elfenbein-Brieföffner, aber auch solche aus schlichtem Kunststoff, liegen auf dem Tisch des Waldhüters ebenso wie uralte Zebra- Wandteppiche.
Der Maresciallo schickt alle wieder nach Hause: „So lange diese Obertrottel sich nicht genauer äußern, werde ich einen Teufel tun und Protokolle aufnehmen.“
Die „Obertrottel“ sitzen nicht weit von ihm entfernt im Umweltministerium des ansonsten nicht dummen Ministers Giorgio Ruffolo: Der hatte im Februar ein Gesetzesdekret erlassen, das einhellig auch von Öko- Verbänden als „größter Fortschritt zum weltweiten Schutz aussterbender Arten“ gepriesen wurde. Danach muß, wer exotische Objekte in seinem Besitz hat, diese amtlich deklarieren lassen, sofern diese, oder Teile davon, geschützten Tierarten entstammen.
Der Termin dazu lief Anfang Juni ab, und so sammelten sich an den letzten Tagen all jene, die irgendwann mal aus Kenia oder Marokko, aus Südafrika oder Malaysia irgendein Mitbringsel erstanden haben, aber nicht wissen, ob das Ding denn nun kunstoffernes „Made in Hongkong“ darstellt oder lebensraubenden Jagd-Ursprungs ist.
Insofern wäre das Problem durch einfache Ansichtnahme seitens der Beamten nicht sonderlich schwierig zu lösen — glaubt man. Doch der Teufel steckt natürlich wieder mal im Detail: Das Ministerium hat, nach eigener Ansicht rechtzeitig, einen Katalog von Tieren herausgegeben, deren Verletzung oder Tötung zu unterlassen ist. Doch der ist so verwirrend, daß auch der beste Waldaufseher nicht zurecht kommt. Beispiel Schildkröten: wer sie im Hause hält oder auf der Terrasse und sieht, daß die stummen Tierchen da zufrieden sind, muß sie denunzieren, denn dann stammen sie, nach ministerieller Ansicht, von einer protegierten Rasse. Krabbeln die Panzerträger jedoch partout immer wieder in den Garten und wollen sich gar im Winter vergraben, gehören sie zur gemeinen, nicht geschützten Sorte. Schwierig für den Beamten, aus den Kröten herauszufragen, welche Lebensweise sie bevorzugen.
Auch die Sache mit den Bienen ist nicht einfach zu lösen: Zur Aufbesserung der Honigqualität und -quantität haben Züchter durchaus auch aus Afrika Stechtiere eingeführt und wollen nun, zu Recht, wissen, ob sie diese samt Anzahl und genauer zoologischer Bezeichnung anzeigen müssen — doch leider sind die Forstmenschen keine Bienenspezialisten, zumindest nicht für solche aus dem afrikanischen Urwald.
Kompliziert auch die Sache mit den Krokodilen: hat dafür ein afrikanisches Tier seine Haut gelassen, muß man es anzeigen, war ein asiatisches der Lieferant, nicht. Doch leider haben die Tiere kein Nationalitätszeichen auf der Haut. Sibirischer Wolf ist ohne Furcht vor späterer Unbill wie Beschlagnahme und Strafe zu tragen, nepalesischer statt dessen muß unbedingt mit dem Persilschein der Behörden versehen werden.
Inzwischen hat das Umweltministerium eingesehen, welches Chaos es angerichtet hat — und ist offenbar entschlossen, dieses mit ein paar unscheinbaren Maßnahmen noch zu verstärken. Nun muß, nach einem allerneuesten Dekret, nur der Händler derlei Waren anzeigen, nicht jedoch der gemeine Privatmensch — vorerst jedenfalls. Wer schon von einem kundigen und willigen Beamten die Bescheinigung für die Selbstanzeige bekommen hat, kann sie wegwerfen— in Kürze wird es neue Formulare geben, und dann geht alles wieder von vorne los.
Die nun vorgeladenen Händler von Exotika ihrerseits haben angekündigt, daß sie nicht im Traum daran denken, sich anzeigen zu wollen: Für sie gilt seit Jahren eine rigide Denunziationspflicht aller aus Drittweltländern eingeführter Waren tierischer oder pflanzlicher Provenienz. Wer da heute daherkommt und sich selbst anzeigt, wird mit Sicherheit hinter Gitter landen.
Nun sind die Forsthüterbüros wieder, wie vordem, gähnend leer. Unzufrieden ist unser Feldwebel dennoch: Immerhin hatte er sich erwartet, daß ihm das Ministerium bei dieser Gelegenheit ein paar zusätzliche Hilfskräfte bewilligt. Denn in seinem Amt sind mehr als die Hälfte aller Stellen wegen Geldmangels unbesetzt. Planstellen, die einst dazu geschaffen wurden, wenigstens den eigenen Bestand an schützenswerten Arten zu garantieren. Werner Raith
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